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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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noch einen Kaffee trinken?« fragte Michael Ochajon, klappte die Mappe auf und blätterte nun in den Papieren. Schorer blickte die anderen Anwesenden fragend an.
    »Wenn schon, dann lieber etwas Kaltes«, sagte Nahari. »Hier in Jerusalem ist es ziemlich heiß, kaum besser als bei uns in Petach Tikwa.«
    »Aber wenigstens ist es eine trockene Hitze«, bemerkte Schmerling. »Man schwitzt nicht so wie in Tel Aviv.« Er blickte Machluf Levi erwartungsvoll an, wie um Bestätigung bittend. Doch der schwieg und drehte weiter seinen Ring, nickte nur und sagte: »Ja, bitte«, als Schorer ihn fragte, ob er etwas Kaltes trinken wolle.
    Als der Kaffee und die Flaschen mit Saft hereingebracht wurden, waren alle in die Lektüre der Papiere in den vorbereiteten Mappen vertieft. Schorer bot Milch und Zucker an. Er kippte selbst drei Löffelchen Zucker in Michael Ocha jons schwarzen Kaffee und rührte gründlich, dann deutete er auf die Tasse und sagte: »Hier ist dein Gift. Du könntest genausogut gleich Sirup trinken.«
    Einige Minuten lang waren nur leise Schlürfgeräusche zu hören, das Klirren der Tassen und das Rascheln von Papier. Der Ventilator in einer Ecke des Zimmers – die Klimaanlage war defekt – kühlte die Luft nicht ab, er surrte nur und blies den Männern, die um den Tisch saßen, heiße Schwaden ins Gesicht.
    Schorer legte die Mappe hin und nahm ein abgebranntes Streichholz aus Michael Ochajons Schachtel. »Inspektor Levi«, sagte er, »vielleicht erzählen Sie uns die ganze Geschichte noch einmal. Wir wissen zwar die Tatsachen, das stimmt, aber bevor wir sozusagen als Team die Arbeit anfangen, sollten wir alles noch einmal im Zusammenhang hören. Heute ist der siebte Juli, und vor zwei Tagen ist es passiert, nicht wahr?« Er blickte Nahari an, der zustim mend nickte und sein Saftglas leertrank.
    »Nun, dann geben Sie mir auch mal eine Zigarette«, sagte Nahari zu Michael Ochajon. Dieser schob ihm eine Schachtel Noblesse über den langen Tisch hinüber und hielt gleich darauf Machluf Levi ein brennendes Streichholz hin. Levi lehnte sich zurück und setzte zu seiner langen Rede an.
    Auf seinem Gesicht zeigte sich eine Mischung aus Konzentration und Schmerz. Die Gefühle, die es verriet, verwirrten Michael. Er fragte sich, ob alle die Spannung spürten, die sich im Zimmer ausbreitete, doch ein vorsichtiger Blick auf die Gesichter am Tisch zeigte ihm, daß die anderen nicht so betroffen waren wie er. Er bereitete sich jetzt darauf vor, konzentriert zuzuhören und versuchte, das Herzklopfen zu ignorieren, das ihn jedesmal befiel, wenn er Machluf Levis Gesicht sah, weil dieser seinem Onkel so ähnlich sah, dem jüngeren Bruder seiner Mutter, der während eines Auslandsaufenthalts in geheimer Mission plötzlich an einer Gehirnblutung gestorben war. Michael hatte diesen Onkel ganz besonders geliebt, zu ihm war er mit all seinen Schwie rigkeiten gegangen. Auch jetzt mußte er ein Lächeln unterdrücken, als er sich an das Gespräch erinnerte, das sie vor seiner, Michaels, Hochzeit mit Nira geführt hatten, und an einige der Witze, die Jacques später, vor seiner Scheidung, erzählt hatte, um ihm die Anspannung zu nehmen. Jacques selbst war Junggeselle gewesen, und seine Erfolge bei Frauen gehörten zum Familienmythos. Nicht daß er je mit ihnen geprahlt hätte. Zu Familienfesten und gemeinsamen Essen erschien er jedesmal mit einer anderen Frau, und er erlaubte sich noch nicht mal ein Zwinkern, wenn er sie ihnen vorstellte, als sei sie die erste Frau, die er je mitgebracht hatte.
    Von Jacques hatte Michael gelernt, sich zu einer Frau zu beugen und ihr mit einer Sehnsucht in die Augen zu schauen, die ihr Herz zum Schmelzen brachte. (»Aber man muß sie wirklich begehren«, hatte Jacques warnend gesagt. »Das ist kein Theater, höchstens ein bißchen schamlos.«) Wann immer Michael eine Beziehung mit einer Frau begann, auch wenn es sich um eine vorübergehende und eher zufällige handelte, wenn er ihr die Tür aufhielt oder ihr aufmerksam zuhörte, meinte er immer wieder Sätze zu hören, die Jacques zu ihm gesagt hatte.
    »Der gescheiteste Rat, den ich je gehört habe«, hatte Jacques einmal gesagt, »war dieser: Sei ein Mann, sei demü tig. Halte dich an diesen Ratschlag, Michael. Mit deinen Augen und deinem schmalen Körper, mit diesem schönen Mund von deinem Vater, wirst du noch weit kommen. Achte nur darauf, daß du demütig bist, aber nicht zuviel.« Dann hatte Jacques laut gelacht. Und darin, dachte Michael nun,

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