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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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es Ihnen erklären«, sagte er geduldig. »Tatsache ist, ob Sie das wollen oder nicht, daß in Ihrem Kibbuz ein Mörder frei herumläuft.«
    Dworka zuckte zusammen, und Mojsch senkte den Blick. Plötzlich begriff Michael, daß sein beherrschter, zurückhaltender Ton nicht angebracht war, daß hier eine Schocktherapie nötig war, und er fragte sich sofort, warum er nicht in der Lage gewesen war, so klar und brutal die Wahrheit zu sagen, wie Machluf Levi es konnte. Er hatte es zum ersten Mal geschafft, daß auf den Gesichtern der Zuhörer offene Angst zu sehen war. Eine Angst, die schon die ganze Zeit da gewesen war, die nur auf einen Anlaß gewartet hatte, sich zu zeigen. Das erreichte Levi mit seinen harten, spontanen Worten: »In Ihrem Kibbuz läuft ein Mörder frei herum. Das ist was anderes als ein Dieb, das sind auch keine Drogenabhängigen, mit denen ich in anderen Kibbuzim schon mal zu tun hatte. Hier handelt es sich um Mord, um einen kaltblütigen Giftmörder, der bei Ihnen herumläuft, jetzt, in diesem Moment.«
    »Vielleicht ist es jemand von draußen«, meinte Jojo leise.
    »Hoffentlich«, sagte Machluf Levi, »hoffentlich. Aber so, wie es im Moment aussieht, ist es höchst unwahrscheinlich, daß jemand von draußen wußte, wo die Parathionflasche von ... von ... Mojschs Vater war, es sei denn, er hat das Parathion von außerhalb mitgebracht. Es tut mir leid, aber da müßte es sich schon um ein Wunder wie die Quadratur des Kreises handeln, damit es jemand von draußen sein könnte.« Er schaute jeden einzelnen der Reihe nach an, senkte den Blick dramatisch in jedes Augenpaar. Sein Gesicht zeigte eine neue Härte, eine Bewußtheit der eigenen Kraft. In diesem Moment war Machluf Levi der richtige Mann, um mit ihnen zu sprechen.
    »Bei Ihnen läuft ein kaltblütiger Mörder herum, und wir wissen nicht, welches seine Motive sind. Wir wissen noch nicht einmal, ob er seine schmutzige Arbeit schon beendet hat. Denn wir kennen die Ermordete noch nicht richtig. Aber den Kopf in den Sand zu stecken, wie man so sagt, bringt nichts. Sie müssen erstens die Tatsachen akzeptieren, und zweitens verstehen, daß Sie, wenn Sie wollen, daß wir den Mörder finden, uns helfen müssen, die Parathionfla sche zu finden. Sie sind es, die die Nachforschungen im Kibbuz durchführen müssen. Sie sind dort zu Hause, Sie können überall suchen. Sie können in jedes Zimmer gehen, Sie können überall herumschnüffeln, bevor der ganze Kibbuz von dem Parathion erfährt.« Seine Stimme wurde lauter. »Und wer weiß, vielleicht haben Sie gerade da Erfolg, wo es uns schwerfällt. Sie wissen die ganze Zeit schon mehr als wir, ohne daß wir überhaupt eine Ahnung haben, was Sie wissen. Sie werden verstehen, daß wir mit jedem einzelnen von Ihnen sprechen werden, um herauszufinden, was Sie wissen. Vor allem aber«, jetzt senkte er die Stimme zu einem Flüstern, als fürchte er einen Lauscher an der Tür, »ist es notwendig, alles geheimzuhalten. Wir müssen unbedingt das Parathion finden, um den Mörder dingfest zu machen, bevor er vielleicht noch einmal zuschlägt.«
    Die Blässe, die Mojschs Gesicht bei seinem Eintritt überzogen hatte, wich einem dunklen, schmutzigen Farbton. Er legte sich eine Hand auf den Magen.
    »Ich bleibe nicht im Kibbuz«, erklärte Riki, die Krankenschwester, mit zitternder Stimme, aber sehr entschieden. »Ich halte das nicht aus.«
    Niemand reagierte.
    »Finden Sie nicht, daß Sie ein bißchen übertreiben?« fragte Dr. Reimer. Sein intelligenter Blick war durch seine dicken Brillengläser auf Machluf Levi gerichtet. Er griff sich an seinen hellen Bart. Machluf Levi schüttelte den Kopf, aber Reimer war noch nicht fertig. »Im Kibbuz gibt es jedenfalls eine ganze Menge Leute«, sagte er. »Es gibt Volontäre, die aus dem Ausland kommen, es gibt noch andere Möglichkeiten ...«
    »Wir schließen keine Möglichkeit aus«, versprach Michael. »Aber denken Sie an die Parathionflasche, die aus dem Giftschuppen verschwunden ist, und fragen Sie sich, ob einer von außerhalb des Kibbuz sie hätte nehmen können. Wer außer den Mitgliedern des Kibbuz hätte wissen können, daß Osnat in der Krankenstation war? Wer konnte in einem Zeitraum von zwanzig Minuten das Risiko einge hen, das der Mörder eingegangen ist, hätte er nicht ein legitimes Recht gehabt, die Krankenstation zu betreten?« Er ließ seinen Zuhörern Zeit, seine Worte zu erfassen, dann fügte er hinzu: »Natürlich ist das Bild noch sehr verschwommen. Wir

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