Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
hat.«
»Keine überflüssigen Gefühle, tun Sie uns den Gefallen. Lassen Sie das Melodrama aus dem Spiel, sonst sind wir gleich bei dem, was uns und diesem Land schon alles passiert ist.«
»Er ist seit sechs Jahren Kassenwart«, sagte Michael, und Machluf Levi fragte: »Was spielt das für eine Rolle?«
»Ich werde es gleich erklären«, sagte Nahari ungeduldig. »Ich habe noch etwas vergessen: Wer ist zur Zeit dort zuständig für die Arbeitseinteilung?«
»Eine Frau namens Schula«, antwortete Michael.
»Gut«, meinte Nahari. »Ich möchte alle vier Funktions träger heute nachmittag hier haben, einschließlich des neuen Sekretärs. Wir werden ihnen die Dinge darlegen. Sie sollen uns bei den Nachforschungen behilflich sein.«
Michael räusperte sich und sagte: »Entschuldigen Sie, aber damit bin ich nicht einverstanden.«
»Warum denn nicht?« fragte Nahari und richtete sich auf. Der herausfordernde Ton dieser Frage war nicht zu überhören.
»Ich finde, die Untersuchung sollte in den Händen derer bleiben, die schon wissen, von was die Rede ist. Außerdem sollte man die Sache geheimhalten.« Er blickte Nahari direkt in die Augen.
Der wedelte mit seiner dicken Zigarre, so daß die Asche auf die Glasplatte fiel, und sagte: »Diese Möglichkeit haben Sie bereits sabotiert, jetzt wissen schon genug Leute Bescheid.« Er betrachtete seine Fingernägel, hob dann den Blick und fügte hinzu: »Und überhaupt gibt es das nicht, in einem Kibbuz kann man nichts geheimhalten.«
»Einer hat es aber gekonnt«, sagte Michael.
»Wann treffen Sie ihn?« erkundigte sich Nahari.
»Wen?« fragte Bern. »Mit wem trifft er sich?«
»Nun, mit Meros«, sagte Sarit.
»Heute nachmittag, im Hilton «, sagte Michael.
»In welchem Hilton ?« fragte Nahari.
»In Jerusalem«, erklärte Michael. »Dort wohnt er, wenn er in Jerusalem ist.«
»Ich wollte, ich könnte das auch«, murmelte Sarit und strich ihr T-Shirt glatt.
»Sie hätten ihn wenigstens dazu bringen können, nach Tel Aviv zu kommen«, maulte Nahari, dann fragte er: »Was hat der Pathologe über die Zeit zwischen Gifteinnahme und Tod gesagt?«
»Höchstens eine halbe Stunde«, antwortete Michael und suchte in seiner Mappe nach dem pathologischen Bericht.
Plötzlich hob Awigail den Kopf, den sie während der ganzen Zeit über die Fotos gesenkt hatte, als habe sie überhaupt nicht zugehört, und sagte mit für sie untypischer Autorität: »Nicht länger als eine Viertelstunde.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Nahari mißtrauisch.
»Ich weiß es.«
»Trotzdem«, beharrte Nahari.
»Ich habe gedacht, Sie würden die Einstellungsunterla gen Ihrer Leute lesen«, sagte sie trocken.
»Ich habe sie gelesen, und nun?« sagte Nahari gereizt.
Sie kaute wieder an dem gelben Bleistift, den sie in der Hand hielt, und starrte weiter die Fotos an.
»Awigail!« rief Nahari. »Woher wissen Sie das mit den fünfzehn Minuten?«
»Ich war zehn Jahre lang Krankenschwester, davon habe ich ein halbes Jahr in einem Kibbuz gearbeitet. Ich weiß es, ich habe solche Fälle nach Unfällen mit Gift gesehen. Da reicht eine Viertelstunde.«
»Krankenschwester? Sie sind wirklich diplomierte Krankenschwester?« fragte Michael. Sie nickte und sank danach wieder in sich zusammen.
»Und jetzt zu der Durchsuchung«, sagte Nahari.
»Nichts, gar nichts«, antwortete Machluf Levi. »Wir waren gestern bis in die Nacht dort, ich und meine Leute. Wir haben alles durchsucht, den Giftschuppen, noch einmal die Ambulanz, das Zimmer von Mojschs Vater, alles. Natürlich auch Osnats Wohnung, wir haben nichts entdeckt. Man muß den ganzen Kibbuz durchsuchen, alle Zimmer, und gestern abend haben wir das auf diskrete Art angefangen, keiner hat gemerkt, nach was wir suchen.« Er warf Michael einen Blick zu, als erwarte er von ihm eine Unterstützung.
Michael sagte noch einmal: »Es ist wichtig, die Informationen auf einen möglichst kleinen Kreis zu beschränken, obwohl ich natürlich auch weiß, daß man einen Fall nicht zugleich untersuchen und verbergen kann, aber mindestens so lange, wie wir nicht sicher wissen, daß das Parathion verschwunden ist. Obwohl ich glaube, daß man so eine Flasche gar nicht so leicht los wird, sie ist aus Metall.« Er schaute auf seine Uhr. »Sie werden bald hier sein.«
»Wer?« fragte Nahari.
»Die Familie und Mojsch und Jojo, die Krankenschwester, der Arzt, alle Leute, die ohnehin schon involviert sind. Ich denke, so lange es eben geht, sollte man ihnen sagen, daß sie
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