Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
die Flasche so bald wie möglich finden und den Zeitpunkt, in dem im Kibbuz die Bombe platzt, so weit wie möglich hinausschieben.«
»Warum zapfen Sie nicht ein paar Leitungen an?« fragte Nahari. »Haben Sie daran schon gedacht?«
»Das ist unmöglich«, erklärte Michael. »Sie haben dort eine automatische Zentrale, und man müßte jedes einzelne Telefon im Kibbuz anzapfen. In jedem Zimmer gibt es eines, das geht einfach nicht. Wir haben die Sache schon nachgeprüft.«
Nahari lehnte sich zurück, drückte den Rücken an die mit schwarzem Skaileder bezogene Lehne des Bürosessels, verschränkte die Arme und sagte: »Ich gebe meine Zustimmung nicht. Sie können sich natürlich an den obersten Chef wenden. Wenn der bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, bitte. Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Wenn er bereit ist, die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. Aber ich sage Ihnen jetzt schon, daß ich vorhabe, ihm meine Meinung mitzuteilen, nämlich daß sich ein Skandal kaum vermeiden läßt.«
Soweit es Michael betraf, war dies eine offene Herausforderung, der Kampf war damit angesagt worden.
Das Telefon klingelte, und Nahari beugte sich zur Seite, hob den Apparat hoch, der neben ihm auf dem Fußboden stand, und stellte ihn auf den Tisch. Mit einer Handbewegung in Michaels Richtung nahm er den Hörer ab, und noch bevor er sich meldete, sagte er drohend: »Schriftlich. Eine schriftliche Zustimmung, daß man mir hinterher nicht sa gen kann, ich hätte mich unklar ausgedrückt.« Erst dann murmelte er in den Hörer: »Sie sollen warten. Wir sind hier gleich fertig.« Zu Michael gewandt, fragte er: »Wie wollen Sie vorgehen? Einer nach dem anderen? Alle auf einmal? Sie sind hier, alle, die Sie bestellt haben. Wieviel Zeit haben Sie noch, bevor Sie nach Jerusalem fahren, um Meros zu treffen?«
Michael warf einen Blick auf seine Uhr. »Sie sind früh dran«, sagte er. »Das trifft sich gut, die Zeit drängt wirklich.« Er überlegte kurz, dann fügte er mit fester Stimme hinzu: »Ich möchte sie erst mal alle zusammen haben, in meinem Büro, und wenn Sie gerne anwesend sein möchten, bitte.«
»Danke«, sagte Nahari, »aber ich habe anderes zu tun. Dieser Fall ist schließlich nicht der einzige. Sie schaffen das gut alleine.«
Michael hatte den Türgriff schon in der Hand, als er sich noch einmal umdrehte: »Awigail, du bleibst hier, bis ich sie in mein Büro gebracht habe. Sarit und Beni, ihr kommt mit mir.« Und zu Nahari gewandt: »Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde es nicht ohne Erlaubnis von oben machen.«
»Wir werden sehen«, sagte Nahari drohend. Er stand auf und dehnte die Schultern.
»Und was ist mit mir?« fragte Machluf Levi. »Was soll ich tun?«
Nahari ignorierte die Frage, und Michael blickte verlegen auf seine Uhr. »Kommen Sie ebenfalls mit mir, aber Sie können auch nach Aschkelon fahren, wenn Sie dort gebraucht werden.«
»Ich komme mit Ihnen«, entschied Machluf Levi. »Man weiß nie, wie sich die Dinge entwickeln.«
Neuntes Kapitel
Während Michael leise und präzise die Fakten erklärte, beobachtete er prüfend die Gesichter der Anwesenden, die leichten Veränderungen in der Hautfarbe und den Körperbewegungen. Nachdem er verkündet hatte, ein Selbstmord komme aus technischen Gründen nicht in Frage, begann er mit der notwendigen Geheimhaltung. Auch als er sie um ihre Hilfe bei der Suche nach der Parathionflasche bat, sprach er leise, vermied jede dramatische Betonung und achtete peinlichst darauf, keine Gefühle zu zeigen. Keiner gab einen Ton von sich, außer Riki, der Krankenschwester, die einen leisen Schrei ausstieß, sie protestierten auch nicht gegen seine Bitte um Mithilfe. Mojsch beugte sich auf seinem Stuhl vor, und Schlomit zupfte nervös und rhythmisch an ihren Locken. Joaw saß wie erstarrt, und Dworka rang die Hände. Nur Jojo sah aus, als habe er alles mitbekommen, was Michael gesagt hatte. Er schlug seine langen, mageren Beine übereinander, legte die Hand auf die Stuhllehne und sagte: »Auch nachdem Sie das alles erklärt haben, verstehe ich immer noch nicht, warum wir das machen sollen. Wie gehen Sie in anderen Fällen vor? Warum ist diese Geheimhaltung nötig?«
Plötzlich war Machluf Levis Stimme zu hören. Bisher hatte er kein Wort gesprochen. »Erlauben Sie«, sagte er mit einer Handbewegung zu Michael hin, dann wandte er sich zu der Gruppe, die ihm auf der anderen Seite des Schreibtischs im Halbkreis gegenübersaß. »Ich werde
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