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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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zwischen der Stadtbevölkerung und den Kibbuzim gab, natürlich im Verhältnis gesehen. Es gab nur einen erstaunlichen Unterschied.«
    »Was für einen?« fragte Michael.
    »In den Kibbuzim gab es alle Störungen, die man auch von den Städten kennt, außer einer – man fand keine Psychopathen. Finden Sie das nicht auch erstaunlich?«
    Michael streckte die Beine aus. »Ja, das ist wirklich interessant. Welche Erklärung hat man dafür gegeben?«
    »Nun, das ist schon wieder ein anderes Thema. Vielleicht weil Kibbuznikim die ganze Gemeinschaft als ihre Familie verinnerlichen. Aber was ich da sage, ist sehr oberflächlich und nicht wirklich fundiert. Bei dieser Untersuchung haben wir nicht nach Ursachen gesucht, nur nach den Tatsachen, die an sich schon erstaunlich sind.« Wieder beschäftigte er sich mit seiner Pfeife, dann sagte er: »Diese paranoide Schizophrenie muß genetisch bedingt sein. Wer, haben Sie gesagt, sind seine Eltern?«
    »Ich weiß nicht viel über sie, nur daß seine Mutter auch ein besonderer Fall ist. Sie und ihre Schwester sind nach dem Krieg in den Kibbuz gekommen.«
    »Aha«, sagte Elroi, als sei ihm jetzt alles klar. »Ein Second Generation Syndrom , das erklärt vieles.«
    »Was erklärt es?« fragte Michael.
    »Nun, alle möglichen Phänomene, die an die Kinder weitergeben werden, als Ergebnis des Traumas ihrer Eltern. Auch darüber ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Es gab auch ein hochinteressantes Seminar über Kinder der zweiten Generation. In der letzten Zeit interessiert man sich sehr für dieses Thema.«
    Michael verschluckte die ironische Bemerkung, die ihm schon auf der Zunge lag: Leiden wir nicht alle, mit oder ohne Etikett?
    »Alle möglichen Ängste und Schuldgefühle«, fuhr Elroi fort, »sind auf die zweite Generation übertragen worden, es hat sich ein richtiges Syndrom entwickelt, auch Paranoia kann daraus entstehen. Und der Vater?«
    »Ich habe ihn noch nicht getroffen, aber ich weiß, daß er ein sehr einfacher Mann ist. Er hat sich in der schweren Zeit dem Kibbuz angeschlossen, vor dem Unabhängigkeitskrieg. Einzelheiten weiß ich nicht.«
    »Sehr interessant«, sagte Elroi und beschäftigte sich wieder mit seiner Pfeife. »Ich würde mich freuen, zu gegebener Zeit mehr zu erfahren, falls diese Angelegenheit relevant wird. Dieser Fall interessiert mich übrigens sehr. Ich wüßte gerne, wie die Leute mit all den Veränderungen fertig werden, vielleicht ist es an der Zeit für eine neue Untersuchung.« Er schaute Michael an. »Sie sollten übrigens ein bißchen Literatur zu diesem Thema lesen.«
    »Was würden Sie mir empfehlen?« fragte Michael und unterdrückte ein Lächeln, das bei dem gönnerhaften Ton des anderen in ihm aufstieg.
    »Ich habe ein paar Sachen hier«, sagte Elroi. Er stand auf, ging zum Bücherschrank, öffnete mühsam die in den Angeln quietschenden Glastüren und kam mit einem kleinen Stapel zurück. »Das da ist einfach, geradezu populärwissenschaftlich, doch für den Anfang nicht schlecht«, sagte er und hielt Michael »Die Kinder der Zukunft« von Bruno Bettelheim hin. »Aber außer dem, was ich Ihnen jetzt gebe, sollten Sie Zeitungen lesen, historische Texte, Sie sind doch eigentlich Historiker.«
    »Allgemeine Historie«, sagte Michael. »Von der Geschichte der Kibbuzbewegung habe ich keine Ahnung.«
    »Dann fangen Sie am besten mit Bitanja an, der Kom mune, die in den frühen Zwanzigern von Haschomer ha za'ir, einer linken zionistischen Bewegung, gegründet worden ist, auf einem Hügel, von dem aus man den See Geneza reth überblickt«, empfahl Elroi. »Lesen Sie › Kehilatenu ‹ , die publizierten Annalen, ein wirklich spannendes Material.«
    Später, als er ihn mit der üblichen Förmlichkeit zur Tür führte und Michael sich bedankte, meinte Elroi: »Es wird nicht leicht für Sie sein, den Fall zu lösen. Viel zu viele Dinge spielen eine Rolle, von denen Sie nichts wissen. Sie brauchen einen Verbündeten im Zentrum des Geschehens.« Er lächelte ein unangenehmes Lächeln.
    Dieses Lächeln ließ Michael auf seinem Weg zum Hilton nicht mehr los. Dort in der Lobby wartete das Parlamentsmitglied Aharon Meros auf ihn, mit verzweifelter Geduld und einem zugleich mutigen und miserablen Gesichtsaus druck. Er sah mit seinen scharfen, klaren Gesichtszügen und der unbestimmbaren Haarfarbe – grau, früher blond – beeindruckender aus als bei seinen Fernsehauftritten, fand Michael. Seine Augen zeigten die zu erwartenden Gefühle:

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