Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
geplante Treffen und den Besuch von Gabriel van Gelden bei ihm. Ich erwähne gar nicht erst diesen Belgier und die Kopie der Expertise, die morgen per Kurier eintreffen wird. Wirklich – ein schönes Stückchen Arbeit. Schade, alles aufs Spiel zu setzen ohne ein Geständnis, ohne den Versuch, ein Geständnis aus ihm herauszuholen. Auch so werden wir monatelang im Gericht sitzen.«
»Wo liegt unser Problem?« fragte Awram interessiert.
»Das Problem ist«, sagte Balilati mit großem Bedacht, »daß wir für den verehrten Maestro gar nicht existieren. Er hat vor uns kein Fünkchen Respekt und schon gar keine Angst.«
Nur Sipo sagte etwas: »Warum sollten wir für ihn auch existieren?« fragte er, und nicht einmal Balilatis Miene, die sich verzog, schreckte ihn ab. »Ich wüßte gerne, worum es geht«, fragte er standhaft weiter, »wie soll ich dahinterkommen, wenn ich nicht frage?«
Balilati sah sich mit einem erschöpften Ausdruck um, wie jemand, von dem man verlangt, das Selbstverständliche zu erklären. »Also«, sagte er mißmutig, »es geht um die Dynamik des Verhörs.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Sipo mit ungewohnter Entschiedenheit, »erkläre es mir.«
»Du weißt, wie so ein Verhör abläuft«, seufzte Balilati. »Es kann Tage, zumindest Stunden dauern.«
»Ja?«
»Und du weißt, daß zwischen Vernehmer und Vernommenen irgendeine Beziehung entstehen soll, nicht wahr?«
»Und?«
»Ich verstehe nichts von dieser Musik«, wand sich Balilati, »und selbst unser Freund Ochajon, der etwas versteht, selbst wenn er viel versteht, wird er von diesem Maestro mit seinem ganzen internationalen Ruhm und allem Drum und Dran nicht für voll genommen.«
»Nein?« fragte Sipo überrascht, und Eli Bachar seufzte laut.
»Für ihn«, sagte Balilati und sah Michael an, »verzeih mir, aber für ihn sind wir nichts als Vollidioten. Auch du, stimmt's?«
Michael zündete sich eine Zigarette an. Seine Hand zitterte.
»Was tut das zur Sache?« fragte Sipo erstaunt. Er wischte über den silbernen Griff des Feuerzeugs, das er bediente, und glättete die Ränder seines Schnurrbarts. »Du hast mich auch für einen Vollidioten gehalten, und ich habe dir das Band von Herzl Cohen gebracht. Nicht wahr?«
Balilati wischte sich über die Stirn, sah Michael und Scho rer mit einem Ausdruck der Ohnmacht an, und mit offenem Unbehagen räumte er ein: »Wahrhaftig, eine bemerkenswerte Errungenschaft. Aber das ist nicht zu vergleichen.«
»Wenn man mich gleich von Anfang an eingeweiht hätte«, sagte Sipo freundlich, »wenn er sich nicht dafür entschieden hätte, alles im Alleingang zu machen«, er zeigte mit dem Kopf in Richtung Michael, »hätte ich noch mehr ausrichten können.«
»Schade um die Zeit«, sagte Schorer. »Äußern Sie Ihre Meinung, und schildern Sie, warum Michael dagegen ist. Denn wie Sie sehen, können wir Ihre Gedanken nicht lesen.«
»Er will eine Gegenüberstellung mit Nita«, Michael ver lor die Beherrschung. Sein Gesicht brannte. »Er will, daß sie mit Theo spricht. Wir sollen dabei hinter der Scheibe sitzen. Sie wird das nicht durchstehen. Außerdem wird sie sich wei gern.«
Schorer sah Balilati mit einem fragenden Blick an, der zur Bestätigung nickte und blinzelte, als wäre er enttäuscht von Michaels richtiger Vermutung, der ihn an einer vollständigen Ausführung seines Planes hinderte.
Die Stille, die im Sitzungssaal herrschte, dauerte an. Die Stimmung war gespannt. Als ob niemand bereit war, der erste zu sein, der sie brach, der erste, der irgendeine Position bezog. Ja'ir verschränkte seine Arme und musterte mit seinen ernsten Augen und mit großem Interesse alle Anwesenden.
»Was sagen Sie dazu? « fragte Schorer schließlich und sah Zila an. »Sie waren lange genug mit ihr zusammen. Was meinen Sie? Wird sie es durchstehen?«
»Sie ist wirklich krank«, sagte Zila zweifelnd. »Sie hat fast immer hohes Fieber. Aber innerlich ist sie nicht so labil. Ihr Körper ist geschwächt, aber in ihrem Innern hat sie ... ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll. Es ist, als ob sie irgendeine Kraft besitzt ... Ich weiß nicht, sie ist kein gewöhnlicher Mensch.«
»Was haben wir zu verlieren, wenn wir es versuchen?« fragte Balilati trotzig. »Was haben wir denn zu verlieren? Wenn alle einverstanden sind und wenn wir es ordentlich inszenieren, könnten wir in kürzester Zeit ein Geständnis aus ihm herausholen und ihn dann damit konfrontieren. Wenn nicht – wenn sie nicht einwilligt oder wenn er
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