Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Michael und Balilati den Saal betrat, stieß kurzatmig aus: »Ich habe sie hierhergebracht. Beide warten in separaten Büros. Nita habe ich gebeten, sich in Ihrem Büro hinzulegen. Sie weiß nicht, daß Theo schon hier ist«, sagte sie zu Schorer, der am Tischende saß. »Wegen des Sofas. Sie ist wirklich krank. Und Theo«, wandte sie sich an Michael, »wartet in deinem Büro. Wir haben ja gesagt, wir lassen ihn in einem kleinen Zimmer warten. Und wie du angeordnet hast, ist er nicht allein. Ich habe einen Beamten bei ihm gelassen. Er weiß auch noch nichts. Auch nicht, daß sie hier ist. Isi Maschiach spricht gerade mit einer Kollegin von der Spurensicherung. Wie heißt sie?«
»Sima? Ist sie es?« fragte Balilati, »die Lockige mit der großen Brille?«
»Sima«, bestätigte Zila.
»Die ist in Ordnung«, bemerkte Balilati. Er setzte sich zur rechten Seite Schorers, der sich in die Kopien des Berichts der Gerichtsmedizin vertiefte und begann, die Papiere, die vor ihm lagen, eilig durchzusehen. An der abgelegenen Seite des Tisches, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, las auch Ja'ir konzentriert das, was aussah wie Kopien dersel ben Papiere. Seine Finger flatterten über die Zeilen, als hätte er Angst, auch nur ein Wort zu verpassen.
»Viel Kraft«, murmelte Schorer. »Hört ihr? Sie schreiben hier, daß man viel Kraft aufwenden mußte. Seht mal unter den Zahlen der physikalischen Berechnungen. Sie nehmen an, wenn es eine Frau gewesen wäre, hätte sie eine Riesin sein müssen. Sehen Sie«, sagte er zu einem unbestimmten je mand: »Unter den Worten ›geringe Wahrscheinlichkeit‹.« Er setzte die Lesebrille ab.
»Das schließt sie wohl endgültig aus«, bemerkte Bali lati. »Und wenn es so ist ... « , dachte er nach und wurde still.
Michael sah ihn besorgt an, als würde er seine Gedanken lesen, und beeilte sich zu sagen: »Schlag es dir aus dem Kopf.«
»Was?« fragte Balilati unschuldig.
»Schlag dir diese Möglichkeit aus dem Kopf. Ich kann es selbst machen. Ich will«, betonte er das letzte Wort, »es selbst machen.«
»Hast du es geschafft, sie reinzubringen, ohne daß die Journalisten sie gesehen haben?« fragte Eli Zila.
»Nur einer hat noch gewartet. Alle anderen hatten schon aufgegeben«, flüsterte sie. »Und der nervt mich die ganze Zeit mit dem japanischen Messer.«
»Was für ein japanisches Messer?« wunderte sich Eli.
»Er hat sich in den Kopf gesetzt, daß man Gabriel van Gelden den Hals mit einem japanischen Messer durchschnit ten hat. Du kennst diesen Typus. Wenn du ihnen nichts sagst, erzählen sie irgendeinen Unsinn, und dann ...«
»Du kannst so etwas nicht anordnen«, warnte Michael Balilati.
Schorer sah sie abwechselnd einige Male an, und schließlich fragte er ungeduldig, wovon sie sprachen.
»Er denkt, er weiß, was ich denke. Er kann Gedanken lesen. Jetzt beherrscht er schon die Telepathie«, sagte Balilati und rollte die Augen zur Decke.
»Wir haben keine Zeit für diese Spielchen«, sagte Schorer nervös. »Morgen früh habe ich eine Sitzung mit dem Polizeipräsidenten und dem Minister. Es ist schon ein Uhr morgens. Sie wollen den Fall der zentralen Sonderkommission für Kapitalverbrechen übertragen. Ich bitte Sie, Dani, kommen Sie zur Sache.«
»Sehen Sie«, sagte Balilati mit einem sichtbar geduldigen Ton. »Wir haben hier ein ernstes Problem, wie wir es schon öfter in der Vergangenheit hatten. Ich sage nicht, daß es nicht vorkommen kann, daß ... aber diesmal haben wir ein ganz besonderes Problem. Sie wissen es selbst, Chef«, sagte er zu Schorer. »Von Ihnen haben wir es gelernt, und auch von ihm.« Er machte ein Zeichen mit der Hand in Richtung Michael. »Die Dynamik eines Verhörs, wie es uns jetzt erwartet. In diesem Fall haben wir fast nur Indizien. Ich glaube nicht, daß Michael ihn dazu bringen kann aufzugeben.«
»Aber er hat nicht einmal ein Alibi!« rief Eli Bachar. »Was heißt hier Indizien?! Er hat gelogen, was sein Alibi an belangt. Wir haben mit der Kanadierin gesprochen und mit der jungen Musikerin. Er war mit keiner der beiden zusammen! Und auch ein Motiv haben wir. Und eine Gelegenheit. Alles! Das ist eine lückenlose Geschichte.«
»Wir zielen auf ein Geständnis und eine genaue Rekon struktion des Tatherganges«, bestimmte Balilati, beugte sich nach vorne und legte die Hände auf den Tisch, als hätte er vor, sich darauf zu stützen. »Wir haben hier gute Arbeit geleistet. Und sogar eine Zeugenaussage des Rechtsanwalts bekommen, über das
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