Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Monat werden sie ihm erlassen«, knurrte Balilati, als er um die Ecke verschwunden war, »die kriegen immer sofort zwei Jahre, da hilft ihm kein Gericht. Und soll ich dir was sagen? Er wirkt völlig in Ordnung, aber wer tut das nicht? Die größten Mörder bei denen schauen so aus, als seien sie in Ordnung, re den auch, als seien sie in Ordnung, bis sie irgendeine Sprengladung in einem Autobus voller Kinder hochgehen lassen.«
»Und bei uns? Wie sehen sie bei uns aus?«, fragte Michael und ließ seinen Blick von der Straße zum Hof des Wohnblocks zu rückwandern. Esther Chajun saß dort noch immer auf dem Strohschemel und starrte, umringt von einem Kreis der Nachbarinnen, mit blindem Blick vor sich hin. Über den Zaun schrillte das kreischende Organ der Nachbarin aus dem zweiten Stock: »Erinnern Sie sich nicht an diesen Araber aus dem Bak’a? Drei hat er dort umgebracht, was, erinnern Sie sich nicht, wie viel Blut das war? Mit dem Messer hat er sie abgeschlachtet, eine nach der anderen, ohne Erbarmen, die Gedenksteine sind noch dort, in der Ja’irstraße, auf dreißig haben sie sie aufgestellt, dass bloß das Mädel nicht so gefunden wird.«
»Hör auf, Janina, red nicht so«, bat eine andere Frau, »be schwör’s nicht herauf, mit Gottes Hilfe finden sie Nesja, und alles wird gut, die Polizei wird sie finden.«
»Was für ein schöner Tag, ein Tag für ein Picknick«, murrte Balilati, während Michael aus den Augenwinkeln wahrnahm, mit welcher Kompetenz Ja’ir die Polizisten anleitete. Er teilte sie in Gruppen auf, warf dann einen Blick auf den Plan, den Eli Bachar ihm skizziert hatte, und folgte ihnen mit dem Blick, als sie die Höfe der Häuser betraten. Weiter oben zog der Spürhund den Polizeihundeführer an der Leine die Straße hinauf, ein stämmiger Mann mit kariertem Flanellhemd und Turnschuhen, und nach unten hin führte Eli Bachar einen Fünfertrupp Polizisten in Richtung Jaelstraße.
»Ich versteh das nicht, wie kannst du dieses Bürschlein, das kaum die Stadt kennt, an die Spitze der Suchmannschaften stellen«, murrte Balilati weiter, »und noch dazu bei einer solchen Personalknappheit, Stunden wird es dauern, bis wir noch mehr Freiwillige von den Pfadfindern mobilisieren, und während der Zeit kann es sein, dass das Mädchen schon in Beit Zafafa begraben ist, wieso hast du ihn denn ...«
»Dich brauche ich hier«, unterbrach ihn Michael, »dich brauche ich, und ihn kann ich momentan entbehren.« Wie vorauszusehen, änderte sich Balilatis Tonfall umgehend, und er schwenkte von seinem Gemecker auf die Geschichte mit dem Bezirkskommandanten um. »Hab ich dir das mit Drori eigentlich erzählt?«, verfiel er in einen Plauderton, »was er zu mir gesagt hat, Drori? ›Ich verstehe nicht, wie der Leiter der Ermittlungsabteilung sich jetzt mit einem Mordfall befassen kann, wenn ich derartige Ausschreitungen an der Pat-Kreuzung habe.‹ – ›Guter Mann‹, sag ich zu ihm, ›wer eine gute Tat anfängt, muss sie zu Ende bringen‹, und da sagt er zu mir, ›Sie können Ochajon bestellen, dass ich nicht zufrieden bin. Das werden Sie ihm in meinem Namen sagen‹, sagt er zu mir, ›dass ich den Leiter der Ermittlungsabteilung des Bezirks Jerusalem jetzt dabei bräuchte, dass er sich mit der generellen Lage befasst und nicht mit irgendeinem Mord.‹ Und dann fragt er mich, ob uns überhaupt klar ist, was an der Pat-Kreuzung abgeht, dass Juden mit Flaschen und Steinen auf Beit Zafafa losmarschiert sind, die Fenster in den Häusern eingeworfen, ein Auto mit Arabern angehalten und sie herausgeholt haben und das Ganze. ›Wir sind uns dessen bewusst, Kommandant‹, sag ich zu ihm, ›selbstverständlich sind wir das, aber hier handelt es sich um ein kleines Mädchen, und auch sie, ihr Verschwinden, hat vielleicht etwas mit der sicherheitspolitischen Lage zu tun‹, sag ich also zu ihm, ›und dieser ganze Fall, mit dem wir uns befassen, von einer Leiche, die in einem Haus vor der Sa nierung gefunden wird, in dem sich Araber herumgetrieben haben, auch das kann mit der Lage zusammenhängen. Nun‹, sag ich zu ihm, ›klar dass sie auf die Häuser der Araber in Beit Zafafa losgehen, wenn die anfangen, auf Häuser von Juden zu schießen, unsere Frauen zu vergewaltigen und abzuschlachten und kleine Mädchen zu entführen, sollen wir da vielleicht still bleiben?‹ Ich red und red also auf ihn ein, und, was gibt er mir am Ende? Siebenundvierzig Polizisten und noch zehn von der Einheit zur Aufspürung Vermisster und
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