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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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dass ihre Mutter und sie niemals eine solche Tasche haben würden. Und nun hatte sie eine, und niemand hatte es gesehen. Über die Ausbuchtung, die ihr dadurch vorne entstand, zog sie zur Sicherheit den Hemdsaum und ließ sich von Rosi hinterherschleifen, die bereits wieder neue Witterung aufgenommen hatte. Auch sie, Nesja, war jetzt ungeduldig: Nun musste sie warten, bis sie allein im Bett war, bis sie die Atemzüge ihrer Mutter hörte, und erst dann würde sie aufstehen und nachschauen können, was in der Tasche war.
     
    Ihre Mutter stand noch am Herd und rührte in der Suppe, deren Geruch die ganze Küche erfüllte: Suppe mit Gemüse und Fleisch knochen, die Peter liebte und von der er nie eine zweite Portion ausschlug. Sogar ihre Mutter mochte Peter. Bei jedem seiner Auf enthalte in Israel wohnte er bei ihrem Bruder Jigal und kam mit, wenn Jigal sie besuchen kam, und ihre Mutter sagte nachher immer: »Peter hat einen guten Einfluss auf ihn, er braucht nur zu kommen, und schon beruhigt sich Jigal.« Und auch auf sie hatte er eine beruhigende Wirkung, denn mit ihm konnte sie über alles reden: über die Behandlung der Krampfadern in den Beinen, da rüber, wie die Marokkaner Kuskus kochten, wie die Kurden Kube brieten und sogar darüber, wo es billiger war, am Markt von Machane Jehuda, am Buchari-Markt oder im Hypermarkt. Wenn die beiden zusammen zu Besuch zu ihnen kamen, ver schwanden auch die bösen Blicke, die Jigal Nesja bei anderen Ge legenheiten ständig zuwarf.
    Jedesmal am Abend vor einem Fest erlaubte Frau Rosenstein ihrer Mutter, früher zu gehen, um mit dem Kochen fertig zu werden. Danach würde Nesja ihr helfen müssen, noch einmal die Küche zu schrubben, den Herd, die Spüle und den Boden, aber bis dahin würde sie sie nicht weiter beachten. Wie jetzt zum Beispiel, als sie in der Küchentür stand – »Mach noch ein bisschen Schmuck für die Laubhütte, wenn du nichts zu tun hast«, sagte ihre Mutter, ohne den Kopf zu drehen. Aber es entsprach nicht Nesjas Niveau. Diese kleine Hütte in der Wohnzimmerecke, aus dem Karton einer Mikrowelle gebastelt, diese Hütte war Kinderkram. Sie schlurfte in ihr Zimmer, als beabsichtige sie, von dort Papierketten oder Blätter und Stifte zu holen. Dabei sah sie sich vor, ihrer Mutter nicht einmal ihre Seitenansicht zu zeigen, damit sie nicht merkte, was sie vorhatte.
    Rosi lagerte zu Füßen des Bettes auf ihrem kleinen Teppich. Sie klappte ein Auge auf, schielte sie an und schloss es sofort wieder, kehrte in ihren Schlaf und die Wärme des Traums zurück.
    Zuerst einmal, bevor sie auch nur einen Reißverschluss aufmachte, befand sich in der Tasche eine kleine Geldbörse aus silberfarbenem Samt mit einem Bündel Geldscheinen darin. Ihr stockte der Atem, als sie es zählte, noch nie hatte sie so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Zweimal zählte sie es, um sicherzugehen; eintausendfünfhundertsiebenunddreißig Schekel und noch ein paar Münzen, und alles war klitzeklein in die Geldbörse ge faltet. Dann waren da die Schminksachen – ein winziges goldenes Röhrchen mit bordeauxrotem Lippenstift, ein grüner Lidschatten, eine goldene Wimperntusche und auch ein Minifläschchen Par füm. In einer transparenten Plastikfolie mit Reißverschluss befan den sich Dokumente und Papiere und im vorderen Fach auch ein Schlüsselbund, ein Kamm und ein blaues Papiertaschentuch (sogar das war hübsch und weich, fast zu schade zum Benutzen).
    Wie konnte man so eine Tasche verlieren? Einmal hatte sie im Fernsehen gesehen, wie jemand eine Belohnung erhielt, der etwas Verlorenes zurückbrachte, und einen Augenblick malte sie sich aus, wie sie die Tasche der eleganten Frau bringen würde, die sie verloren hatte – jemand wie Frau Rosenstein oder wie die Braut aus Amerika von Joram Benesch –, und wie sie sie umarmen und ihr die Belohnung für den »ehrlichen Finder« geben würde. Und so beeindruckt wäre sie von ihr, dass sie sie vielleicht sogar einige Zeit bei sich haben wollte, um sie großzuziehen, warum nicht, und Reisen ins Ausland mit ihr machen würde. Eine Frau mit einer solchen Tasche reiste bestimmt viel und hatte sicher ein großes Haus wie in »Beverly Hills«. In der Börse befanden sich Plas tikkarten, und noch bevor sie sah, was darauf stand, wusste sie, dass das Kreditkarten waren (ihre Mutter hatte keine, sie glaubte nur an bares Geld, aber ihre Brüder hatten welche). Und auch ein Personalausweis war dabei, in einer blauen Plastikhülle mit einem dermaßen

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