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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Baschari geflüstert, und ein ungeheures Erstaunen schwang jenseits allen Schmerzes in ihrer Stimme mit. Sie streckte eine Hand mit breiten, bläulichen Fingernägeln nach dem schmalen Knöchel der Leiche aus und tippte auf das Muttermal, das sich von dem glatten Oberschen kel abhob. Das Wimmern, das ihr entfuhr, spitzte sich zu einem einzigen gedehnten Geheul zu, das erst nach langen Augenblicken in Einzeltöne zersplitterte. Michael schloss die Augen. Ihre Schreie durchdrangen Eisensarg um Eisensarg, Wand um Wand, erfüllten den langen Korridor und stiegen ins Bürogeschoss und die Vortragsräume auf, bis sie, wieder zurückbrandend, bren nend sein Kopfinneres überschwemmten, wie als Kind, als er ein mal ins Meer hineinlief und eine hohe Welle ihn überrollte und blind machte. Zila flüsterte Dr. Solomon zu: »Wenn Sie hier fertig sind, geben Sie ihr auch etwas«, und zog Ne’ima Baschari sanft, noch während sie schrie, aus dem Leichenraum in den lan gen Gang hinaus und von dort zum Zimmer des Pathologen. Einen Augenblick später trat auch er ein, mit einer Spritze in der Hand. »Man muss ihr etwas geben«, sagte Zila und griff nach dem mageren Arm, während Dr. Solomon murmelte: »Wir werden Ihnen etwas geben, zur Beruhigung, Frau ...« Er blickte Zila mit fragendem Gesicht an.
    »Baschari«, flüsterte Zila.
    »Nun, nun, Frau Baschari«, sagte der Pathologe zwischen ihren abgerissenen Schreien, »das wird es Ihnen ein bisschen leichter machen, für ein Weilchen«, und drückte die Nadel in ihren Arm. Nach einigen Minuten gingen ihre Schreie in ein Schluchzen über, das bis zur Türschwelle ihres Hauses anhielt.
    »Bliebe noch der Vater«, summte Dr. Solomon und eilte in das Zimmer, in das Herr Baschari gebracht worden war. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder bei sich war. »Wo ist Natanael?«, murmelte er, als er die Augen aufschlug, und danach sagte Ezra Baschari nichts mehr.
    Etliche Stunden verstrichen auf diese Weise. Ja’ir brachte ihnen einen Krug Wasser und Gläser, und an den Zigarettenstummeln im Aschenbecher konnte man in etwa ablesen, wie viel Zeit ver gangen war. Erst dann war es möglich, mit der ersten Klarstellung anzufangen, nicht jedoch mit der eigentlichen Vernehmung. Es war Ja’ir, der Ne’ima Baschari zum Reden ermunterte, schon im Streifenwagen auf dem Weg vom gerichtsmedizinischen Institut zurück nach Jerusalem. Zwischen den Schluchzern stieß sie ein wirres Gemurmel hervor: »Sie ist zu einer Freundin gefahren, das ist alles, was sie gemacht hat, bloß zu einer Freundin ... unsere Blume ... sie war so strahlend ... deshalb haben wir sie Zohra, die Glänzende, genannt ... keine Zohra, kein Glanz ... fort ...«
    Michael konnte von seinem Platz aus neben Eli Bachar, der schweigend am Steuer saß, nicht hören, was Wachtmeister Ja’ir sie fragte, er fing nur Bruchstücke ihrer Antworten auf: »Zweiundzwanzigeinhalb ... an Schavuot ist sie geboren ... nach drei Söhnen ... wir haben schon nicht mehr geglaubt ... wissen Sie, was das heißt, eine spät geborene Tochter?«, ihre Stimme verebbte. »Bis wir hier angekommen waren ... bis es etwas leichter geworden ist ... wir sind ja ... nur mit unseren zwei Händen ge kommen ... allein ... ohne jede Hilfe ... und Zohra ... unsere Blume ...« Erstickt würgte sie hervor: »Noch einmal ... nicht aufgepasst hab ich ... sie nicht behütet ... ich ... wegen mir ...«
    Bei der Abfahrt nach Jerusalem schluchzte sie erneut heftiger, schlug sich mit den Fäusten gegen die Brust und schrie wieder: »Ich hab sie nicht behütet. Ich habe es niemandem gesagt ... ihre Brüder nicht angerufen, die ganzen Tage, wo sie spät heimgekommen ist, ich hab mir nicht mal Sorgen gemacht am Anfang. Wir haben gedacht, sie ist zu ihrer Freundin nach Tel Aviv gefahren, sie hat dort eine Freundin von der Armee. Wir hätten sie nicht zum Militär gehen lassen dürfen, wenn ihre Brüder nicht gewesen wären, wäre sie nicht gegangen. Ein Mädchen aus traditioneller Familie hat dort nichts zu suchen, was soll sie dort? Wir hätten sie daheim behalten können, hätte jemand was ge sagt. Aber ihre Brüder haben es ihr in den Kopf gesetzt.«
    Noch im Streifenwagen hatte Michael sie um den Namen und die Adresse der Freundin gebeten. »Daheim hab ich’s aufgeschrieben«, stöhnte Ne’ima Baschari, und nun wiederholte er seine Bitte, als sie im Wohnzimmer saßen.
    »Orit ... nein, Orli Schoschan. Sie ist Journalistin, eine wich tige Journalistin, sie arbeitet bei der

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