Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
entschied Esti, während sie an dem Telefon, das in der Küche hing, zu wählen begann, »dann schleppe ich eben nichts, sollen die anderen schleppen, alle anderen zusammen, okay?«
»Orthodoxe?«, fragte Michael. »Wegen dem, was in den Nachrichten war?«
»Nein, das ist Blödsinn, Kleinkram«, verwarf Schraiber, »es ist etwas …« Er blickte ängstlich zu Natascha hinüber.
»Es gibt was ganz Ernstes«, sagte sie schließlich, »es hat überhaupt nichts mit diesen Zuschüssen zu tun … sie haben mich getäuscht, mit Absicht, um mich in Schwierigkeiten zu bringen, damit ich von der großen Sache abgelenkt werde und man mich nicht mehr … jetzt weiß ich wirklich nicht, ob man mich überhaupt noch mal mit was auf Sendung gehen lässt …«
»Werden sie, sie werden«, versicherte Schraiber, »Chefez wird dich lassen, und er wird Zadik schon überreden.«
»Vielleicht, vielleicht ja wirklich …«, sagte Natascha mit einem Blick zum Eingang, »aber wer wird es Chefez sagen?«
»Ich verstehe, dass Sie die Quellen nicht preisgeben wollen«, sagte Michael, »aber Sie müssen uns eine Richtung geben, einen Faden, irgendetwas … wir müssen wissen, worum es sich hier handelt, so ungefähr.«
Natascha sah ihn misstrauisch an und blickte danach wieder zur Tür. Michael beeilte sich, sie zu schließen. »Also«, sagte er, »niemand hört es, nur wir.«
»Es …«, begann sie zögernd, »vor einiger Zeit habe ich gehört … ich … es ist mir gelungen … kurz gesagt: Ich bin auf eine große Geldsache gestoßen, Gelder, die in den Händen von Rabbiner Alcharizi sind, und nicht nur er … auch andere … Gelder – Koffer, Kisten, Dollar, Gold, was immer Sie wollen. Sie schmuggeln es aus dem Land. Ins Ausland.«
»Wissen Sie, wohin?«, fragte Michael.
»Wir glauben, nach Kanada, und es ist nicht … es muss quasi für was Größeres sein, es ist noch nicht völlig raus, wofür, das ist irgendeine Korruptionsaffäre, wie sie noch nie da gewesen ist …«
»Schwer zu glauben«, murmelte Michael.
»Was?«, schnellte Natascha in die Höhe. »Sie glauben mir nicht?«
»Nein, nein«, beruhigte er sie hastig, »es ist schwer zu glauben, dass es irgendeine Korruption geben soll, die es noch nicht gegeben hätte.«
»Tatsache«, entgegnete Natascha, »und sie wissen noch nicht mal, wie tief ich schon vorgedrungen bin … ich und Schraiber … aber heute … nachdem wir bei dem Haus von Alcharizi gewesen sind und Schraiber sogar reingegangen ist … haben sie garantiert schon einen Verdacht …«
»Ihr Leben ist in Gefahr«, sagte Schraiber, »glauben Sie mir. Sie werden es nicht bei einem Schafkopf belassen, das ist so … wie der Kopf des Pferdes in ›Der Pate‹, die Inspiration haben sie sich sicher von dort geholt.«
In diesem Moment wurde die Tür mit einem Schlag aufgerissen, und Balilati platzte keuchend ins Zimmer, blickte sich um. »Studenten, sozusagen«, sagte er zu sich selbst, »so war es, als wir jung waren … schon Jahre hab ich nicht mehr … sagen Sie mal, hier kann man sich ja eine Lungenentzündung holen, ist Ihnen nicht kalt bei der ganzen Feuchtigkeit hier?«
Natascha zuckte die Achseln.
Balilati stellte sich vor das Bett und deutete auf sie. »Sind das nicht Sie, die vom Fernsehen?«, fragte er aufgeregt. »Sind nicht Sie das, die in den Nachrichten das über die Jeschivas gesagt hat und …«
Natascha starrte in die Dunkelheit draußen – Balilati hatte die Tür wieder offen gelassen. »Sie haben sie reingelegt«, sprang Schraiber rasch ein, »das ist nicht ihre Schuld, man hat sie reingelegt.«
»Das haben wir gleich kapiert, man braucht echt kein Genie sein, um das zu kapieren«, gab Balilati zurück. »Bei denen muss man alles sieben Mal nachprüfen, sie …« Plötzlich sah er sich nach hinten um. »Aber darüber reden wir jetzt nicht«, flüsterte er in warnendem Ton, »der von der Spurensicherung ist selber …«
Ein Mann mit Bart und Kipa betrat den Raum. »Wir haben alles«, sagte er zu Michael, »den Kopf haben wir eingepackt, Fin gerabdrücke genommen und das Ganze, ich bin sicher, dass sie Handschuhe benützt haben. Hier ist nichts zurückgeblieben – kein Plastik, keinerlei Spur, Profis. Wir haben auch ein bisschen sauber gemacht, aber es ist schwierig zu sehen in der Dunkelheit … ich schäme mich, dass es solche Menschen gibt.« An der Tür fügte er hinzu: »Und die nennen sich auch noch Religiöse.«
Balilati legte das russische Buch auf den Boden und setzte sich
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