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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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zweimal dort« – sogar nach dreißig Jahren, die er in Jerusalem lebte, obwohl er dort im Internat im Gymnasium war, galt er immer noch nicht als echter Jerusalemer.) Er sprang schnell die schmale Treppe hinauf, bis er an dem Scheinwerfer stand, den man vor der weiß gestrichenen Eisentür eingeschaltet hatte, und gegenüber dem bluttriefenden Kopf des Schafes, das von einem dicken Strick über dem Türrahmen herabhing und im Wind schaukelte. Die runden, braunen Augen des Schafes starrten unschuldig und vertrauensvoll vor sich hin.
    »Jossi Cohen, erinnern Sie sich nicht?« Der Ermittlungsbeamte war gekränkt. »Wir kennen uns von der Bar-Mizwa von Balilatis Sohn.« Er zog mit einer Hand den nassen Fellkragen seiner Militärjacke enger. »Angekommen«, schnarrte er in das Funkgerät, das er in der zweiten Hand hielt, und zu Michael sagte er: »Ein Glück, dass Sie gekommen sind, ich bin schon ganz verrückt, ich habe auch Balilati aufgeweckt, Sie werden’s nicht glauben, ich muss heute Nacht noch dem Onus rapportieren.«
    »Wie bitte? Was ist das?«, fragte Schraiber, der sich ihnen genähert und die letzten Worte mitbekommen hatte. »Ist das Hebräisch? Was müssen Sie?«
    »Nu«, erwiderte der Polizist ungeduldig, »einen Bericht schreiben, einen Bericht von der Sache hier, für den Offizier für Nachrichten und Spionage.« Er wandte sich wieder an Michael: »Unser Freund Balilati ist auf dem Weg hierher, er hat bloß gehört, dass Sie kommen – schon ist er auch da. Aber er wird ein paar Minuten brauchen«, fügte er befriedigt hinzu.
    »Nehmt ihr das nicht ab?«, fragte Michael und wies mit dem Kinn in Richtung des blutüberströmten Schafkopfs, dessen Pendelbewegungen im Wind ringsherum schwarz tanzende Schatten warfen, auch über die dunkle Lache, die sich aus dem ganz langsam herabtropfenden Blut gesammelt hatte.
    »Einen Moment noch, ich wollte das nicht wegmachen, bis … die Spurensicherung kommt gleich, auch der Zettel, der war dran«, antwortete der Ermittlungsbeamte, und Michael musterte den aufgemalten Totenkopf und die Worte »Dein Ende ist nahe«, die mit roten, krummen und großen Druckbuchstaben geschrieben waren. »Es ist auch besser, wenn Balilati das noch sieht«, bemerkte der Ermittlungsoffizier, »wenn er schon kommt – dann soll er’s sehen. Aber Sie können drinnen warten, ich warte draußen auf sie.«
     
    Der Petroleumofen, der brannte, half nichts, im Zimmer war es eisig kalt. Die Jerusalemer Kälte alter Steingebäude, stark und dicht. Schraiber rieb seine Hände und breitete sie über dem verrußten Ofengitter aus. »Sie wollte Sie nicht rufen«, sagte Schraiber und warf Natascha einen vorwurfsvollen Blick zu, »es hat mich einige Zeit gekostet, sie zu überzeugen, aber am Schluss habe ich zu ihr gesagt – du kannst machen, was du willst, aber ich leg mich mit denen nicht an.«
    »Wer sind ›die‹?«, fragte Michael.
    »Mit diesen Superfrommen«, antwortete Schraiber, trat einen Schritt zur halb offenen Tür, zündete sich eine Zigarette an und fügte hinzu: »Ist doch klar, dass die das sind, oder? Glauben Sie mir, ich kenne sie.«
    Das Zimmer war sehr klein, den meisten Platz nahm ein zerwühltes Einzelbett ein. Über das Bettgestell waren ein paar Pullover hingeworfen, und gegenüber, in einer Nische in der dicken Mauer, hingen einige Blusen und ein Kleid an einem Haken. Zu Füßen des Bettes waren Bücher aufgestapelt, und auf einem Korbschemel lag, mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten, ein Buch in Russisch. Gegenüber dem Eingang befand sich eine Art Kochecke. An der Wand neben dem Elektroherd zeichneten sich Feuchtigkeits- und Schimmelflecken ab, und dort hingen ein kleiner Topf und eine Pfanne über einem Geschirrtrockengestell mit drei Tellern und zwei Tassen, ein paar Löffeln, zwei Gabeln und einem Messer. Hinter einer halb offenen Tür befand sich die Toilette – Kloschüssel, Waschbecken und ein Hahn mit Handbrause.
    Michael betrachtete seine Umgebung. Alles war abgenutzt und ärmlich, außer einer blauen Vase auf dem einzigen Tisch im Zimmer, die einen Strauß halb welker Narzissen enthielt, und der langen, schmalen Reproduktion in einem dünnen Holzrahmen, die über dem Bett hing. Er blickte den einsamen, sonderbaren Turm an, der inmitten einer braunen, leeren Weite aufragte; ein Turm, dessen eine Seite hell erleuchtet war und dessen andere im Schatten lag, und ein großer Schatten zog sich auch von einem Menschenpaar her, das klein und losgelöst in der

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