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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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und bohrte ihren Blick in einen Punkt auf dem Tisch.
    »Man muss jemandem sehr viel Unrecht angetan haben, damit er sich nicht schuldig fühlt«, sagte Michael.
    »Ah, darin bin ich Professorin«, erwiderte Natascha, »aber ich kann es nicht ausstehen, wenn sich die Leute selber Leid tun. Die meisten Dinge, die passieren, wenn man kein Kind mehr ist, liegen in deiner Verantwortung. Ich ertrage keine Menschen, die darüber jammern, was man ihnen angetan hat, ohne an ihre eigene Verantwortung zu denken.«
    »Nicht einmal, wenn man ihr Leben bedroht, wenn sie ihre Arbeit machen?«, fragte Michael, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden.
    Natascha sah in ihren Kaffeebecher, danach warf sie ihm einen kurzen Blick zu und sagte kühl: »Was für eine elegante Art, wieder auf das Thema zurückzukommen.«
    Michael breitete seine Arme aus, als gebe er zu verstehen – keine Wahl. »Ich sagte es – Zeugenaussage und Beweisaufnahme. Sie können nicht weiterhin die Faktoren geheim halten, die …«
    »Ich kann, und ob ich kann, ich muss«, entgegnete Natascha, »ich habe keine andere Wahl, meine Karriere ist echt erledigt, wenn ich jetzt ein Wort sage, und außerdem, was wollen Sie mit mir machen? Mich ins Gefängnis stecken?«
    »Dann sagen Sie mir vielleicht wenigstens«, sagte Michael nach kurzem Schweigen, »ohne in Details zu gehen, nur so viel, wer ist daran interessiert, Ihnen ein solches Andenken zu hinterlassen? Haben Sie Feinde, Leute, die Sie hassen?«
    Natascha grinste. »Wer hat das nicht?«, fragte sie nach einem Augenblick. »Es genügt, dass … wie sagten Sie? Es genügt, dass der Mensch lebt, um Feinde oder Hasser zu haben, sogar wenn er gar nichts macht. Aber wenn man Journalistin sein will und quasi jung ist, und man hat eine Affäre mit dem Leiter der Nachrichtenabteilung im Fernsehen, dann sowieso …«
    »Sie denken, Sie haben Neid erweckt«, sagte Michael ruhig.
    »Ja, aber das hat nichts zu tun mit …«, setzte sie an und überlegte es sich anders.
    »Nichts mit dem Schafkopf zu tun?«
    »Ja, das ist wegen … wegen meiner Nachforschungen jetzt, das ist quasi wie … man will mich einschüchtern, weil ich auf etwas von Bedeutung gestoßen bin, ja? Quasi, aber ich fürchte mich nicht, im Gegenteil – ich begreife, dass ich sie echt unter Druck gesetzt habe.«
    »Bei solchen Geldern wundert mich das wirklich nicht«, kommentierte Michael. »Man sollte sogar daran denken, Ihnen Personenschutz zu stellen.«
    »Eine Bewachung?!«, fragte sie alarmiert. »So was wie ein Leibwächter? Jemand, der mir überallhin nachgeht und weiß, was ich jeden Moment mache und …«
    »Wir werden darüber nachdenken«, warf Michael ein, »wir werden sehen.«
    Nach kurzem Schweigen fragte Natascha in kindlichem Ton: »Kann ich hier meine Stiefel ausziehen?«
    Michael breitete mit bestätigender Geste seine Arme aus und sah ihr zu, wie sie mühsam die Stiefel abstreifte und ihre Beine vor sich ausstreckte.
    »Natascha«, sagte er unvermittelt, und sie ruckte mit dem Stuhl und starrte ihn mit weit offenen Augen an, »denken Sie eigentlich, dass Tirza Rubins Tod ein Unfall war?«
    »Ich?«, fragte sie verwundert. »Ich … ich habe keine Ahnung … das sind keine Leute in meinem … ich weiß so gut wie nichts von ihr.«
    »Schon«, beharrte er, »aber was denken Sie?«
    Sie schwieg.
    »Denn Rubin kennen Sie ja gut«, setzte Michael hinzu.
    »Rubin, ja, aber er …« Sie suchte nach einem Wort. »Er ist ein Mensch, der … er ist wirklich … solche Menschen gibt’s eigentlich nicht. Sie können mir glauben, ich weiß auch persönliche Dinge über ihn wie …« Ein Ton von Stolz stahl sich bei den letzten Worten in ihre Stimme.
    »Wie zum Beispiel?«, fragte Michael, wie man ein Kind nach seinen Errungenschaften fragt.
    »Zum Beispiel … zum Beispiel, wie sehr er … wie er Niva geholfen hat in finanzieller Hinsicht … sagen wir mal, er konnte das Kind nicht so anerkennen, dass es alle wussten, aber er hat sie nicht im Stich gelassen … oder mit seiner Mutter, zum Beispiel.«
    »Was ist mit seiner Mutter?«, fragte Michael.
    »Sie ist im Altersheim, im Bak’a, kennen Sie es? An der Bethlehemer Landstraße? Für europäische Juden, so quasi? Wissen Sie, was das jeden Monat kostet? Und wer, meinen Sie, finanziert das?«
    »Er ist der einzige Sohn«, erwähnte Michael.
    »Und es gibt sonst keine Familie, weil sie Holocaustüberlebende sind. Sie ist schon … jeden Tag muss er hinrennen … Ärzte und das alles … vor ein

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