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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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vielleicht würde sich ja irgendein Anzeichen ergeben, dass Rubin doch wusste, was seinem besten Freund widerfahren war –, war beeindruckt von der Beherrschung, die er an den Tag legte. Nur an Rubins verkrampfter Haltung, dem wiederholten Zucken seines linken Augenlids und der Faust, die er ein ums andere Mal ballte und wieder öffnete, war das Ausmaß der Anspannung ablesbar, in der er sich befand. Aus Erfahrung wusste Michael, dass es Menschen gab, bei denen Spannung und Beunruhigung zu zwanghaft assoziativem, unkontrolliertem Redefluss führten, vor allem wenn man in ihrer Gegenwart schwieg und die Bedrängnis ignorierte, in der sie sich befanden. Er schwieg also in Rubins Gesellschaft und stellte ihm lediglich einige sachliche Fragen im Hinblick auf den kleinen Bürokalender, der auf dem Nachttisch im Schlafzimmer lag, bat ihn bei der Entzifferung von Benni Mejuchas’ Handschrift um Hilfe oder erkundigte sich nach Einzelheiten zu den Terminen, die darin in der letzten Woche eingetragen waren. Doch Rubin öffnete sich nicht, um sich durch Reden zu erleichtern, im Gegenteil – je länger sie sich in Benni Mejuchas’ Haus aufhielten, desto zugeknöpfter wurde er. Die Rückfahrt zum Sender hatten sie schweigend zurückgelegt, und auch jetzt, als sie in Rubins Zimmer saßen und den Kaffee tranken, den er für sie beide gemacht hatte, herrschte Schweigen zwischen ihnen. Etwas zutiefst Ernstes ging von Rubins Gesicht aus, sein Blick wirkte, als sähe er ein Unglück über einen ihm sehr nahen, teuren Menschen hereinbrechen, ohne ihn davor retten zu können. Diese Stille wurde nun von Michael gebrochen, der seine Augen zu der Pinnwand erhob und die Schwarz-Weiß-Vergrößerungen betrachtete. »Ist das aus dem Zweiten Weltkrieg?«, fragte er und deutete auf eine Frontalaufnahme japanischer Soldaten, die in dicht gedrängten Reihen mit erhobenen Händen dastanden, zum Zeichen, dass sie sich ergaben.
    »Ja«, antwortete Rubin und blickte die Tafel an, als gewahrte er sie nach langer Zeit mit einem Mal wieder, »ich habe eine komplette Sammlung. Zum Beispiel die«, er deutete auf ein anderes Foto, auf dem Soldaten in grauen Uniformen auf wüstenähnlichem Untergrund sitzend zu sehen waren, mit gesenkten Köpfen, »aus dem Ersten, vor der französischen Armee, und die«, er lenkte Michaels Aufmerksamkeit auf ein nicht sehr großes Farbfoto von Soldaten in gefleckten Tarnuniformen im tropischen Dschungel, »Amerikaner in Vietnam. Ich habe eine ganze Sammlung, aber hier ist kein Platz.«
    »Das ist keine besonders fröhliche Sammlung«, merkte Michael an, »und eigentlich sogar … seltsam, nicht?«
    Rubin zuckte die Achseln. »Das sind die Dinge, die mich interessieren, was kann ich dafür, wenn sie nicht üblich sind?«
    »Es gibt hier keine Araber und keine Israelis, sagen wir mal, ägyptische Soldaten … die klassischen Bilder …«, wunderte sich Michael und stellte die leere Kaffeetasse auf dem Tisch ab.
    Rubin dehnte seine Lippen zu einer Art halbem freudlosem Lächeln. »Das braucht es hier nicht, das ist zu nahe an zu Hause«, sagte er leise, »das habe ich hier drin.« Er deutete auf seinen Kopf.
    »Ich habe gehört, dass Sie selbst in Gefangenschaft waren, im Jom-Kippur-Krieg«, bemerkte Michael.
    Rubin verzog geringschätzig die Lippen, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als wollte er etwas abwischen, bohrte seine Augen in die Wand gegenüber und sagte: »Vergessen Sie’s, das ist eine Art Mythos … nicht der Rede wert, weder wirklich Gefangener noch … wenn es Ihnen nichts ausmacht«, setzte er hastig hinzu, während er schon auf den Knopf des Monitors drückte, der auf dem Regal nahe dem Tisch stand, »möchte ich das eingeschaltet lassen.« In der oberen Ecke des Bildschirms war Zadiks Gesicht in einer schwarzen Umrandung zu sehen, und im Zentrum, vor dem Hintergrund einer Reihe teils schwarzweißer, teils farbiger Fotos aus Zadiks Leben – eines mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und zwei in Gesellschaft des Betriebsratsvorsitzenden – stand Giora Elam, Experte in der Darbietung von Liederabenden und Verfasser von besonders traurigen Liedtexten. Er trug ein schwarzes Hemd, dessen Knöpfe kurz vorm Bersten schienen, strich sich ein ums andere Mal über seine einstmals blonde Mähne, die jetzt eine Art schlampig auf die Stirn geklebtes Haarknäuel war, verzog sein sommersprossiges Gesicht, dessen rosigen Ton auch die Schminke nicht zu kaschieren vermochte, hatte die Hände mit den kurzen

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