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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ist Ihr Gefühl diesbezüglich?«
    Imanuel Schorr, der inzwischen ins Zimmer zurückgekommen war und seinen Platz wieder eingenommen hatte, zog die Augenbrauen hoch und warf Michael einen Blick zu, der einiges von seinen Gedanken preisgab. Die langen Jahre der Bekanntschaft und die besondere Nähe zwischen ihnen ließen Michael genau wissen, was Schorr dachte – hätte man ihn gebeten zu definieren, welche Art Blick das war, hätte er gesagt, ein speziell ironischer; so, wie man ein Schauspiel betrachtet, das Laien ohne sonderliche Geschicklichkeit aufführen. Vor wenigen Tagen erst hatte ihm Schorr, als sie über seine Schwiegertochter sprachen, die als Visagistin beim Fernsehen arbeitete, von den Meinungsverschiedenheiten – »Krieg nennen sie das dort«, hatte er genau gesagt – zwischen dem Intendanten und dem Direktor der Sendebehörde berichtet. Zadik habe sich über die willkürlichen Etatkürzungen von Seiten des Letzteren, die unter anderem ein Programm betrafen, das jener nicht mochte, und die sogar das Budget für Garderobe und Schminken berührten, beklagt. Er habe von der Absicht erzählt, das staatliche Fernsehen – mit voller Rückendeckung der Kommunikationsministerin und des Ministerpräsidenten – zu einem Unterhaltungskanal und zum Sprachrohr der Regierung zu machen. Schorr hatte auch den Artikel erwähnt, der vor ein paar Wochen in einem Jerusalemer Lokalblatt erschienen war – »Ein linkes Wespennest oder ein ziviler Aufstand«, hatte er spöttisch den Untertitel zitiert –, in dem die »Kulissenmänner in der Sendebehörde« benannt wurden. In diesem Artikel wurden Gründe für die heftige Feindschaft zwischen Zadik und dem Direktor der Sendebehörde aufgezählt, die darin gipfelte, dass der Behördenchef Zadik aufforderte, doch freiwillig zu kündigen, mit der Begründung, er ließe das staatliche Fernsehen in völliger Gesetzlosigkeit untergehen und sorge nicht für ein »ausgewogenes Bild«. In diesem Artikel, hatte Schorr zu Michael gesagt, wurden Worte von Vertrauten Ben-Aschers zitiert, denen zufolge sich der Direktor der Sendebehörde, der selbst vom Ministerpräsidenten persönlich ernannt worden war, darüber beschwert hatte, dass Zadik sich weigerte, zentrale Begriffe im Fernsehdiskurs zu verändern.
    Sie hatten spät nachts am Machane-Jehuda-Markt in einem Lokal gesessen, das Schorr besonders liebte. Sein Besitzer, Menasch, der von Ort zu Ort wanderte und alle paar Jahre ein neues Restaurant eröffnete, kochte nämlich selbst in riesigen Aluminiumtöpfen – »wie meine Großmutter welche hatte«, sagte Schorr – sephardische Speisen, und ganz besonders hatte er sich auf die Zubereitung von Calzones, aus hauchdünnem Teig hergestellte Taschen, spezialisiert, wie seine Mutter sie zu Rosch Haschana zu machen pflegte, nur anstelle von Käse mit Fleisch gefüllt (»man hat mir gesagt, dass man das bei den Russen Piroschki nennt, aber das ist etwas völlig anderes«, hatte Schorr erklärt). Michael, der damals die Möglichkeit, mit dem Rauchen aufzuhören, gerade erst angedacht hatte, hatte es erstmals gewagt, zu Beginn des Essens darüber zu sprechen. Schorr hatte dazu gesagt: »Keine Frage, du musst aufhören, sieh dir deine Gesichtsfarbe an … grau, dein Gesicht ist richtig grau … hast du Untersuchungen machen lassen?« Michael hatte mit den Achseln gezuckt und abgewehrt: »Tu mir den Gefallen, sei so gut, und lass uns über etwas anderes reden.« Und wie zur Ablenkung hatte Schorr ihm glucksend die Leitsätze des Direktors der Fernsehbehörde zitiert, der die Einführung einer neuen Sprachregelung im Sendewesen verlangte und per Rundschreiben den Gebrauch von Ausdrücken »der anderen Seite« verboten hatte. »Und weißt du, warum?«, hatte Schorr gefragt, die Antwort jedoch nicht abgewartet, sondern sofort selbst geliefert: »Weil man der anderen Seite nicht die Möglichkeit geben darf, die Geschichte zu diktieren, deswegen ist es also verboten, weiter von ›Intifada‹ zu sprechen, nur von ›Aufstand‹, es darf nicht mehr ›besetzte Gebiete‹ heißen, sondern nur ›Judäa, Samaria und der Gazastreifen‹, probier’s, probier’s nur, diese Matbucha, hat er auch von seiner Großmutter gelernt. Stimmt’s, Menasch, das hast du von deiner Großmama gelernt?«, fragte er den Wirt, der neben ihnen stand und sich die Hände rieb. »Schenk dir noch einen Arrak ein«, befahl er Michael dann, »das wird deine Laune bessern – du siehst, was mit mir passiert, ich rede schon

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