Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
einen Aschenbecher voller Zigarettenstummel beiseite. »Die sind von der Redakteurin, die bei mir war, es ist schon vier Jahre und zwei Monate her, seit ich aufgehört habe.« Er setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem großen Tisch stand, mit dem Rücken zur Wand, und streckte die Beine vor sich aus. Michael saß ihm gegenüber, mit Blick auf die große Pinnwand aus Kork, an der Fotos, Zeitungsausschnitte und Zettel aller Art mit roten und blauen Reißzwecken befestigt waren. In den Stunden, die vergangen waren, seit Zadiks Leiche aus dem Gebäude gebracht worden war, hatte Michael es geschafft, die geheimen Akten, die sich in einer abgeschlossenen Schublade im Schreibtisch des Intendanten fanden, zu studieren, und während die Leute von der Spurensicherung den Inhalt des Zimmers in schwarze Säcke verpackten, hatte Michael den Safe durchsucht, den man für ihn geöffnet hatte, in dem Zadik Akten aufbewahrt hatte, deren Inhalt niemand kannte. Diese hatte Michael mitgenommen und sich eine Weile damit in dem kleinen Zimmer neben Avivas Sekretariat eingeschlossen. Er hatte zügig die mageren Plastikordner durchgeblättert – in einem, zum Beispiel, fand er den geheimen persönlichen Vertrag, der zwischen der Sendebehörde und Chefez abgeschlossen worden war, und in einem braunen Umschlag steckten Zadiks ärztliche Untersuchungsergebnisse –, bis er zu einer gelblichen Akte gelangte, die mit einem braunen Klebepapierstreifen versiegelt war. Es stand nichts auf dem Deckel. Er riss vorsichtig das dicke Klebeband ab, das als eine Art Siegel diente, und fand auf einem beidseitig beschriebenen Blatt, in kleiner Handschrift, die Einzelheiten über den Etat der Produktion von »Ido und Einam« und über die Spende, die ihn ermöglicht hatte. Er ging jedes einzelne Wort durch, prüfte eingehend die Unterschriften, und in dem Moment, in dem er zum Telefonhörer griff, um Balilati zu erzählen, was er gefunden hatte, rief man ihn vom Ende des Ganges her. Eli Bachar teilte ihm mit, die erste Befragung von Rubin sei abgeschlossen, ohne dass es ihm gelungen sei, etwas Erhellendes zu Benni Mejuchas’ Verschwinden beizutragen. Er behauptete, absolut nichts darüber zu wissen (»er klang glaubwürdig«, bemerkte Eli Bachar distanziert, »es ist nicht plausibel, aber wenn du mit ihm redest – er ist überzeugend«), sei aber bereit, jede Unterstützung zu geben, um Benni zu finden, würde Michael sogar zu einer Hausdurchsuchung bei ihm begleiten.
Im gesamten Gebäude herrschte eine beklemmende Atmosphäre des Schreckens und eine Art unnatürliche Stille. Alle, die dort arbeiteten, sprachen – falls sie überhaupt sprachen – im Flüsterton. Sogar der Nachrichtenraum, an dem Michael auf seinem Weg nach unten vorbeikam, war ungewöhnlich ruhig. In der Cafeteria, in der sich niemand von der Belegschaft aufhielt, saß ein Dutzend Polizisten und hörte sich die Erklärungen Jafas von der Spurensicherung an, die die mutmaßlichen Umstände des Mordes aus der »Spurenperspektive« schilderte und wieder darauf hinwies, dass es aufgrund der Art, wie Zadik abgeschlachtet worden sei, äußerst wahrscheinlich sei – »wenn wir ordentlich suchen und nicht locker lassen« –, dass man blutbefleckte Kleider fände. Aus allen Richtungen waren Stimmen von Polizisten zu hören, die im ganzen Gebäude herumliefen, den dortigen Mitarbeitern den Eintritt zu Zimmern verwehrten, die gerade durchsucht wurden, und den Bereich des Tatorts abriegelten. Ihre Schritte hallten in den leeren Korridoren, als sie in den Schränken und Fächern suchten, in Kammern und Abfalleimern, und die lähmende Beklemmung noch erhöhten, in der die Mitarbeiter des Senders befangen waren, die die Zimmer nur verließen, wenn sie mussten, und nur mit Genehmigung der Polizei. Keiner betrat oder verließ das Haus ohne Michaels, Balilatis oder Eli Bachars Bestätigung.
Nach der ersten Befragung und vorerst nur mündlichen Zeugenaussage hatte Arie Rubin Michael zu Benni Mejuchas’ Haus begleitet. Eli Bachar befand sich bereits dort sowie Wachtmeister Ronen und zwei Leute von der Spurensicherung, die das ganze Haus absuchten nach irgendetwas, das vielleicht erklären würde, was mit Benni geschehen war. Rubin äußerte sich zwar nicht zu der Erschütterung, die ihn überkam beim Anblick der ausgekippten Schubladen und schwarzen Nylonsäcke, in denen die Fundstücke, die von Interesse sein konnten, verpackt wurden, doch Michael, der insgeheim seine Reaktionen verfolgte –
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