October Daye - McGuire, S: October Daye
wenigstens im Auge behalten.«
Da hatte er nicht ganz unrecht. »Also schön. Du kannst bleiben, bis es zu gefährlich wird. Aber dann verschwindest du.«
»Abgemacht.« Er grinste, wodurch er sehr jung und herzzerreißend freudig aussah.
Solcher Eifer hat selten zu etwas Gutem geführt. Warnend hob ich eine Hand. »Du wirst tun, was immer ich sage. Keine Heldentaten. Du wirst keinen seltsamen Geräuschen nachspüren, weil du denkst, sie könnten dich zu etwas Interessantem führen. Alles klar?«
»Ja, Toby.«
»Verarschst du mich, schicke ich dich schneller zurück nach Schattenhügel, als du blinzeln kannst.«
»Ich werde tun, was immer du sagst.«
»Verdammt richtig, das wirst du. Und jetzt halt die Klappe und lass mich nachdenken.« Ich lehnte mich an die Wand und stand still da, während wir darauf warteten, dass Jan zurückkehrte. Quentin tat es mir nach und imitierte meine Haltung, sei es nun unbewusst oder absichtlich. So standen wir eine ganze Weile da. Gerade fing ich an, mich mit den drei Leichen richtig unbehaglich zu fühlen, da öffnete sich die Tür oben an der Treppe. Nervös trat Alex über die Schwelle.
»Jan sagte, du willst das hier haben?«
Er balancierte vier Pappbecher auf einem kleinen Tablett und sah verständlicherweise aus, als wäre er höchst ungern hier. Immerhin war dieser Keller zum Leichenschauhaus der Firma geworden, und die Leichen waren seine Freunde gewesen. Sein Gesichtsausdruck wurde noch trübseliger, als er meine finstere Miene sah.
»Wo ist Jan?«, fragte ich streng.
»April hat nach ihr verlangt, um Elliot bei irgendwas zu helfen. Sie meinte, ich könnt e … Komm schon, was soll ich mit den Dingern hier machen? Ich kann auch gehen. Ich wollte nu r … « Er seufzte. »Ich wollte nur helfen.«
Er wirkte so zerknirscht, dass ich ein wenig auftaute. Quentins zunehmend finsterer Miene schenkte ich keine Beachtung. »Na gut. Bring sie her.«
»Natürlich«, erwiderte Alex und ließ kurz den Blick durch den Raum schweifen, bevor er sich an den Abstieg machte.
Am Fuß der Treppe trat ihm Quentin entgegen, nahm ihm das Tablett ab und ließ ihn blinzelnd stehen. Niemand kann sich so gebieterisch aufführen wie ein Daoine Sidhe.
»Ist das alles, was ihr braucht?«
»Vorläufig.« Ich nahm den ersten Becher vom Tablett und bedeutete Quentin, er solle mir zu Barbaras Leiche folgen. Dass Alex hier war, hatte zumindest ein Gutes: Quentin konnte ihn nicht ausstehen, folglich würde er zu sehr auf seine Würde bedacht sein, um meine Anweisungen in Frage zu stellen.
»Was hast du mit dem Wasser vor?«
»Wir versuchen das Blut zu erwecken.« Ich begann geronnenes Blut von Barbaras Handgelenk zu schaben und es ins Wasser zu streuen. Quentin verkrampfte sich leicht, aber wie erwartet protestierte er nicht. Manchmal kann Würde ein wunderbares Werkzeug sein.
Alex schluckte und sah aus, als würde ihm übel. »Warum?«
»Das Blut muss wach sein, damit wir darin lesen können.« Das Wasser hatte eine rosige Färbung angenommen. Ich stellte den Becher auf das Tablett zurück und ergriff den zweiten. »Wenn es klappt, können wir vielleicht den Mörder sehen.«
»Und wenn nicht?«
»Dann versuchen wir etwas anderes.«
»Warum kann Jan das nicht?«
»Weil Jan nicht die Tochter der mächtigsten Blutwirkerin von Faerie ist. Wahrscheinlich könnte sie das Zeug nicht mal erwecken.« Ich versuchte mich auf das zu konzentrieren, was ich tat. »Meine Mutter könnte es, ohne eine einzige Schweißperle zu vergießen.«
»Verstehe«, sagte Alex. »Und konntest d u … etwa s … aus Colins Blut erfahren?«
»Nein, weil es darin nichts zu erfahren gab.« Ich reichte den zweiten Becher mit blutigem Wasser an Quentin weiter. »Da.«
Alex runzelte die Stirn. »Nichts?«
»Nichts. Das Blut war leer.« Ich verzog das Gesicht. »Und bevor du fragst: Nein, das dürfte eigentlich nicht so sein.«
»Und woher weißt du, dass es diesmal anders sein wird?«
»Das weiß ich nicht. Ich bin ein Halbblut, Quentin ist ungeschult, und dieses Blut hier ist so alt, dass ich selbst unter gewöhnlichen Umständen vielleicht nichts darin finden würd e … trotzdem ist es einen Versuch wert.« Ich hielt mir die Nase zu und stürzte den Inhalt meines Bechers hinunter. Quentin tat mit seinem dasselbe.
Alles, was ich spürte, war der bittere, wässrige Geschmack von verdünntem Blut. Es gab nicht den leisesten Hauch einer Erinnerung.
Quentin hustete und stellte seinen Becher auf das Tablett zurück.
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