October Daye - McGuire, S: October Daye
lange nach, sondern wirbelte herum. In meiner Hast, mich zwischen Quentin und eine mögliche Bedrohung zu bringen, stieß ich heftig gegen den Ordner und verteilte die Akten überall im Raum. Aprils Umrisse flackerten, als Papier durch sie hindurchfiel und zu Boden segelte. Mit teilnahmsloser Miene betrachtete sie die sinkenden Zettel, dann fragte sie: »Geht es euch gut?«
»Mach so etwas nicht!«, rief ich und sank zittrig auf meinen Sitzplatz zurück. Quentin sah so erschrocken aus, wie ich mich fühlte. Gut. Dadurch sank die Wahrscheinlichkeit, dass er mich später auslachte.
»Warum nicht?« Sie legte den Kopf schief und ließ einen Anflug von Neugier erkennen. Der Umstand, dass ich gerade etliche Akten durch ihren Oberkörper gejagt hatte, schien sie nicht zu stören. Dryaden sind an sich schon merkwürdig, aber April war eine Anwärterin für die Goldmedaille.
»Weil es nicht höflich ist, Leute zu erschrecken.«
»Ich verstehe.« Sie sah Quentin an. »Ist das wahr?«
Wortlos nickte er.
»Ich verstehe«, wiederholte April. Nach kurzer Überlegung fragte sie: »Ist es meine Materialisierung an sich, die euch widerstrebt, oder dass ich es außerhalb eures aktuellen Blickfelds tue?«
Quentin und ich starrten sie an. Sie erwiderte unsere Blicke mit unverhohlener Neugier in den gelben Augen. Nun, da ich sie genauer betrachtete, fiel mir auf, dass ihren Regenbogenhäuten die übliche Streuung fehlte; sie wirkten wie aufgemalt. Ihr Mangel an Einzelheiten ließ sie zunehmend wie etwas erscheinen, das erschaffen statt geboren war. Wahrscheinlich erklärte das eine Menge über sie, auch wenn es nichts daran änderte, dass sie meinen Puls gerade verdreifacht hatte, weil sie nicht wie jeder andere durch die Tür kam.
»Mir widerstrebt, dass du ohne Vorwarnung direkt hinter mir erscheinst«, sagte ich.
Quentin nickte. »Das, äh, ist eigentlich auch mein Problem.«
April lächelte, ein Gesichtsausdruck, der rundum künstlich anmutete. »Verstanden. Ich werde künftig davon Abstand nehmen, mich ohne vorherige Ankündigung abrupt in eurer unmittelbaren Nähe zu materialisieren.«
Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen. »Also wirst du nicht mehr plötzlich auftauchen?«, vergewisserte ich mich. Bei jemandem, der alberne Nebensächlichkeiten wie Körper und Masse nur als Mittel zum Zweck betrachtete, wollte ich mich nicht auf Vermutungen verlassen.
»Ja.«
»Gut.« Ein Blick zu Quentin zeigte mir, dass auch er sich wieder zu entspannen begann. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Mutter sagt, ihr werdet uns unterstützen.«
»Wir versuchen es.«
»Mutter sagt, ihr seid wegen der unterbrochenen Verbindungen der Teilnehmer dieses Netzwerks hier.«
Immer wieder schlich sich kurzes Schweigen in die Unterhaltung. Ich sah Quentin an, doch der schüttelte den Kopf und breitete die Hände aus, um zu zeigen, dass auch er sie nicht verstanden hatte. »Was?«
»Diejenigen, die offline gegangen sind. Ihr werdet herausfinden, was verursacht hat, dass sie vom Netzwerk abgeschnitten bleiben.«
Ach. Sie redete über die Morde. »Ja. Wir werden herausfinden, warum Leute getötet werden.«
Sie runzelte die Stirn und wirkte verwirrt. Dann verblasste der Ausdruck, und sie fragte: »Warum?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendjemand muss es tun.«
»Das ergibt keinen Sinn«, meinte sie und legte die Stirn wieder in Falten.
»Was ich sage, ergibt selten Sinn. Das gehört zu meinen besten Eigenschaften.«
Quentin prustete und bemühte sich, nicht zu lachen.
»Gordan vertraut euch nicht«, erklärte April.
»Das wusste ich eigentlich schon.«
»Mutter vertraut euch.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch nicht, ob ich euch vertraue.«
»Ich bin froh, dass du ehrlich dazu stehst«, sagte ich. Allmählich fing sie an, mich zu nerven. Ihr Verhalten und ihre Beschaffenheit wiesen viel zu viele Ungereimtheiten auf. Außerdem fiel es mir zusehends schwerer, dem Drang zu widerstehen, herauszufinden, ob sie tatsächlich hier war oder nicht, indem ich mit der Hand durch den Raum fuhr, den ihr Körper zu besetzen schien.
»Ehrlichkeit ist die einzige sinnvolle Option.«
Für computerbewohnende Dryaden vielleicht, der Rest von Faerie schien damit größere Probleme zu haben. Langsam fragte ich: »Warum bist du hier?«
»Mutter hat mich ersucht, euch zu benachrichtigen, wenn jemand vom Firmenpersonal die Gegenwart des jeweils zugewiesenen Partners verlässt.«
»Und?«
»Gordan und Terrie haben sich
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