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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Überlebenden nach Hause oder nach Schattenhügel schicken und herausfinden, wer unser Mörder war, ohne mich in dieser riesigen Technogruft aufhalten zu müssen. Aber das würde nicht geschehen.
    Jan und Elliot befanden sich in ihrem Büro, dessen Tür offen stand. Die beiden bückten sich über einem Satz unverständlicher Blaupausen und reichten einen Bleistift hin und her. Ich blieb stehen und beobachtete sie. Jan hob den Kopf und sah mich mit einer stummen Frage in den Augen an. Ich winkte ab und setzte meinen Patrouillengang fort. Sie brauchte nicht zu wissen, dass sich ihre Leute nicht an die Regeln hielten. Jedenfalls nicht, solange sie sich nicht weigerten, auf mich zu hören, wenn ich sie dafür rügte.
    Die Klimaanlage war ausgeschaltet, und die Lichter im Flur waren gedämpft, als ich in den Raum zurückkehrte, wo wir den Leuten von ALH zum ersten Mal begegnet waren. Die Stege über mir zeichneten sich als eine Reihe von Schemen ab. Es sah genau aus wie diese Orte, wo sich in billigen Horrorstreifen hirnlose Blondinen herumtreibe n … und bei der Anzahl von Leichen, die wir im Umfeld gefunden hatten, war der Vergleich gar nicht mal abwegig. Glücklicherweise habe ich noch nie den Drang verspürt, in Unterwäsche in Sackgassen herumzurennen. Mit leisen Schritten betrat ich das Labyrinth.
    Ich kann mich nicht so geräuschlos bewegen wie meine Mutte r – noch eine Folge meines sterblichen Blute s – , aber durch jahrelange Übung habe ich einige Dinge darüber gelernt, wie man sich ruhig verhält. Als sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnten und ich aufhören konnte, darauf zu achten, wohin ich die Füße setzte, konzentrierte ich mich stattdessen aufs Lauschen.
    Ein leises Geräusch drang zu meiner Linken aus dem Labyrinth. Jemand tippte auf einer Tastatur. Ich drehte mich um.
    Den Lauten von Gordans Arbeit durch die Reihen der Bürozellen zu folgen machte mir deutlicher, was ALH verloren hatte, als es Personalakten je vermocht hätten. Die Schreibtische wiesen persönliche Noten auf: kleines Spielzeug, Fotos, Büschel getrockneter oder absterbender Blumen. Ein Namensschild fiel mir ins Auge, und ich blieb stehen. ›Barbara Lynch‹. Das Büro, das wir nicht hatten finden können.
    » Hier bist du also«, flüsterte ich.
    Der Schreibtisch war übersät von Seiten mit komplexen Berechnungen, während ein Haufen Origami-Rosen stumm von ihrer bevorzugten Form der Stressbewältigung zeugte. Ein Großteil der an die Zellenwand gehefteten Papierbögen hatte mit der Arbeit zu tun, abgesehen vom Poster eines Kätzchens, auf dem in großen Cartoon-Buchstaben das Motto ›Durchhalten‹ stand, und dem Foto eines lächelnden Mannes mit weißblondem Haar. Ich entfernte die Reißzwecke, drehte das Bild um und las die Aufschrift auf der Rückseite. ›Für meine liebste Babs: Eine Katze darf einen König ansehen. Darf ich eine Katze ansehen? In Liebe, John.‹
    Oh, verdammt. Ich unterdrückte ein Seufzen, als ich das Bild beiseitelegte. Andere Fotos gab es nicht, was ich als etwas seltsam empfand. Wenn Gordan wirklich so lange ihre beste Freundin gewesen war, wie Alex zu glauben schien, hätte ich erwartet, irgendein Anzeichen für ihre Beziehung vorzufinde n – ein Bild, eine Karte, irgendetwas. Doch da war nichts, was darauf hindeutete, dass sie sich je außerhalb des beruflichen Umfelds getroffen hatten. Stirnrunzelnd begann ich, in den auf dem Schreibtisch verstreuten Unterlagen zu blättern. Ein Großteil dessen, was ich sah, schien mir recht banal zu sein: Notizen über Fehlerbehebungen an den aktuellsten Softwareangeboten der Firma, Mängelberichte, Dokumentationen von Programmdefekten.
    Barbara hatte in der Abteilung keinen besonders hohen Rang eingenommen. Mal abgesehen von dem augenfälligen Umstand, dass sie kein eigenes Büro besaß, ließen die Memos, die ich verstehen konnte, darauf schließen, dass sie am unteren Ende der Befehlsketten des Unternehmens gestanden hatte. Wann immer etwas schieflief, schien Barbara ein Großteil der Schuld zugeschoben worden zu sein. Interessanterweise vor allem von Gordan. Das ließ tief blicken. »Vielleicht hatten die beiden ein kleines Zerwürfnis«, murmelte ich und widmete mich den Schubfächern. Die meisten ließen sich mühelos öffnen.
    Das oberste hingegen erwies sich als abgeschlossen. Die Stirn in tiefe Falten gelegt, kniete ich mich hin und betrachtete die Schublade. Jan würde mir sicher den Schlüssel geben, wenn ich danach fragte, aber ich

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