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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Tisch beschmutzten. Da waren Muster in dem Durcheinander, fast deutlich genug, um sie zu erkennen. Drei Schleifen wie Torbögen, eine welke Rose, eine hohe dünne Säule, die in einem verschmierten Dreieck endete. Eine Kerze … ?
    Lilys Hand kam über den Tisch, packte mein Kinn und drehte meinen Kopf zur Seite, bis ich sie ansah. Ihre Augen wirkten dunkler, weniger wie Augen, eher wie tiefe Becken voll Wasser. »Zeit zu gehen«, sagte sie. »Es tut mir leid, aber die Blätter haben gesprochen. Er ist zu nahe für die Sicherheit von mir und den Meinen.«
    »Lily, was … «, begann Tybalt. Sie bedachte ihn mit einem scharfen Blick, und er verstummte.
    »Ihr habt zu tun. Ihr beide, auch wenn die Hauptbürde auf Amandines Tochter liegt«, sagte sie. »Du musst mit dem Mond sprechen, October. Lass das Mädchen in meiner Obhut. Vielleicht kann ich sie wecken, vielleicht nicht, aber sie ist sicherer bei mir als mit dir auf der Straße.«
    »Aber … «
    Diesmal war der scharfe Blick für mich. »Du weißt, es gibt Dinge, über die ich nicht sprechen kann. Es tut mir sehr leid, dass sie deine Angelegenheiten berühren. Ich kann dir nur so viel sagen: Du musst den Mond fragen, hier findest du keine Antworten, und du musst das Mädchen hierlassen.«
    »Ich kann sie nicht einfach allein lassen!« protestierte ich. »Ihre Eltern haben sie mir anvertraut.«
    »Hattest du unerwarteten Besuch?«, fragte sie. Ich erstarrte zu Eis. Sie fuhr fort: »Jemand, der so zu deiner Linie gehört wie die Mistel zur Eiche? Du kannst mich nicht belügen. Ich kenne dich.«
    »Woher … «, flüsterte ich. Tybalt runzelte schon wieder die Stirn, aber das kümmerte mich jetzt nicht. Wenn Lily von meinem Holing wusste, was wusste sie sonst noch?
    Ihr Lächeln war traurig. »Es gibt immer Kräuselungen auf dem Wasser. Einige von uns beobachten sie einfach genauer. Lass das Kind hier und geh. Du hast noch viele Meilen auf diesem Pfad zurückzulegen.«
    »Lily, ich … «
    »Es gibt nichts mehr zu sagen. Du wirst auf deine hohe Suche gehen, auch für Tybalt und all die anderen, die noch keine Zeit hatten, dich zu erreichen. Du wirst gehen, weil du musst. Geh jetzt , October.« Sie sah kurz die Bescherung auf dem Tisch an. »Dir bleibt wenig Zeit, um deinen Pfad zu finden. Geh.«
    Ich stand auf. »Du willst mir sonst nichts erzählen, nicht wahr?«
    »Es gibt sonst nichts zu erzählen.« Sie ging zu Karen, hob meine Sachen auf und reichte sie mir. »Das Kleid kannst du behalten. Es passt zu dir.«
    »Ich glaube kaum, dass ich Zeit zum Umziehen habe.« Ich nahm das Bündel. »Wie kommen wir hier raus?«
    »Aus dem Pavillon, dann rechts.«
    »Verstanden.« Ich wandte mich zum Gehen. Spike sprang von Karen herunter und heftete sich an meine Fersen, Tybalt schloss sich an, seine Schritte lautlos auf dem Holzboden. Es war seltsam tröstlich, nicht allein aufbrechen zu müssen.
    Es gab einen Augenblick der Desorientierung, als wir vom Podest des Pavillons herunterstiegen und den moosigen Boden betraten. Die Landschaft um uns verwandelte sich, und wir standen im Japanischen Teegarten vor einer Tür mit der Aufschrift »Nur für Personal«. Gleich darauf lag ein Kribbeln in der Luft, und der Geruch von Jasmintee stieg auf. Ich fasste mir ans Ohr und fühlte die Illusion menschlicher Rundung.
    »Ist das nicht ein toller Spaß«, sagte ich düster. Mir ist völlig klar, dass die meisten Reinblüter innerhalb ihrer Mugel die absolute Kontrolle haben, aber das heißt nicht, dass ich es gern am eigenen Leib erfahre. Ich kann es nicht ausstehen, wenn andere Leute meine Trugbanne für mich installieren. Davon jucken mir die Ohren. Bereichsillusionen wie Tybalts Sieh-nicht-her-Zauber sind schlimm genug, und die berühren noch nicht mal meine Haut.
    »Du siehst sehr hübsch aus«, bemerkte Tybalt.
    Ich funkelte ihn an, wickelte seine Jacke – nein, meine Jacke – aus dem Bündel und schlüpfte hinein. Das abgetragene Leder stand in merkwürdigem Kontrast zu der eleganten Seidenrobe. Mir war das egal. »Ich seh aus wie eine Geisha.«
    Ein kleines Lächeln zuckte um seine Lippen. »Ich sagte doch, du siehst hübsch aus.«
    »M-hm.« Ich schnaubte und wandte mich zum Ausgang. Tybalt folgte mir, er wirkte belustigt. Als ich das zweite Mal auf den Saum meines Gewandes trat, langte er herüber und nahm mir das Bündel Kleider aus den Händen. Ich blinzelte, sagte aber nichts.
    Auch er sagte nichts weiter, bis wir schon fast an meinem Auto waren. Als er dann sprach, klang

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