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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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sie mir also gelassen.
    »Nicht witzig«, murmelte ich und marschierte los, den nächsten Pfad entlang. Wenn sie meine Sachen atomisiert hatte, würden wir ein Wörtchen miteinander reden müssen.
    Wer das Wandern nicht scheut, hat es relativ leicht, aus Lilys Mugel herauszufinden. Die Grenzen ihrer Lande sind flexibel – manchmal liegen Kilometer zwischen zwei Geländepunkten, während es zu anderen Zeiten nur ein paar Meter sind – , aber alle Pfade führen irgendwann zur Mondbrücke. Ich war vielleicht einen halben Kilometer vor mich hinknurrend gewandert, als hinter mir jemand dezent hüstelte.
    »Ja?« Ich drehte mich um.
    Ein silberhäutiger Mann stand auf dem Wasser. Die Kiemen an der Unterseite seines Kinns flatterten vor kaum verhohlener Ängstlichkeit. Er trug Lilys Livree mit Schlitzen an Ärmeln und Hosenbeinen, die den Flossen an seinen Waden und Unterarmen Bewegungsfreiheit gewährten. »Meine Herrin hat … mich gesandt?«, sagte er unsicher.
    »Das sehe ich. Und was hat sie dir aufgetragen?«
    »Sie wünscht, dass ich Euch ausrichte, sie wartet … im Pavillon auf Euch? Mit … dem König der Katzen und … Eurer Nichte?«
    »Gut zu wissen«, sagte ich und nickte ermutigend. »Und wo geht’s zum Pavillon?«
    »Geht so weiter und wendet Euch nach … links … bei der … Sonnenuhr?«
    Damit schienen seine Instruktionen erschöpft zu sein. Ich wandte mich schon zum Gehen, als er nochmals sprach: »Herrin?«
    Ich blickte über die Schulter zurück. »Ja?«
    »Kann ich … mich entfernen?«
    »Ja, das kannst du«, sagte ich. Er lächelte und löste sich in Nebel auf, der über das Wasser davontrieb. Ich schüttelte den Kopf und nahm den Marsch wieder auf. Najaden. Falls es irgendeinen Trick gibt, ihren Verstand über das Niveau eines Felsens zu heben, hat ihn bis jetzt niemand entdeckt.
    Der Rest der Wanderung verlief ereignislos. Einmal kreuzte ein Schwarm Pixies meinen Weg, die lachend versuchten, sich gegenseitig aus der Luft zu prügeln. Ich blieb stehen, um sie vorbeizulassen. Pixies sind klein, aber sie können recht bösartig werden, wenn man sie gegen sich aufbringt. Den Park bewohnten etliche Schwärme, und sie befanden sich momentan im Krieg mit dem Schwarm bei dem Supermarkt, wo ich gearbeitet hatte. Ich hatte die Laden-Pixies gelegentlich mit Waffen beliefert – meist in Form von Zahnstochern und zerbrochenen Bleistiftminen – und wollte gern vermeiden, dass ein Schwarm von Park-Pixies über mich herfiel und Vergeltung suchte. Als sie vorbei waren, ging ich weiter. Ich überquerte mehrere kleine Inseln und bemooste Felskuppen, bevor ich zu einer Sonnenuhr kam, die mitten auf einem ansonsten merkmalfreien Stück Gelände stand. Sie warf keinen Schatten. Ich verdrehte die Augen und fragte mich, wozu Lily sich die Umstände machte, dann wandte ich mich nach links.
    Ehe ich abbog, war da kein Pavillon gewesen. Sobald ich die Richtung änderte, stand er vor mir: ein riesiger weißer Seidenpavillon, geschmückt mit einem Dutzend Wappenschildern, von denen ich keins erkannte, und mit goldenen Tauen an einer erhöhten Hartholzplattform verankert. Prachtvolle Banner und Wimpel wehten in einem Wind, den ich nicht spürte. Offenbar bedeutete »Wendet Euch nach links« nicht abbiegen und weitergehen, sondern war buchstäblich zu verstehen.
    Lily kniete auf einem Kissen und goss Tee in rosenfarbene Porzellanschalen, die auf einem so niedrigen Tisch standen, dass Knien die einzige Möglichkeit darstellte. Nicht dass sie etwa Stühle anzubieten hatte. Lily kann ein bisschen konservativ sein, wenn sie will, und das ist meistens der Fall. Tybalt saß ihr gegenüber auf einem ähnlichen Kissen und wirkte völlig im Einklang mit seiner Umgebung. Das ist auch so ein nervtötender Zug an ihm. Er ist so verdammt selbstsicher, dass er wahrscheinlich mit Oberon persönlich zu Abend essen könnte, ohne sich unterlegen zu fühlen.
    Karen schlief auf einen Stapel Kissen gebettet an der Pavillonwand, und Spike lag zusammengerollt auf ihrem Bauch. Es sah ganz so aus, als hätte auch sie den wunderbaren Undinen-Wasch- und Heilsalon durchlaufen. Sie trug eine weiße Robe, die mit Kirschblüten bestickt war, und ihr Haar war zu einem Kranz um ihren Kopf frisiert. Doch sie war so blass, wie sie gewesen war, bevor Lily ihr kleines Wunder gewirkt hatte, und irgendwie glaubte ich nicht, dass sie erwacht war. Ihre alten Sachen waren auf dem Boden zu einem ordentlichen Stapel zusammengelegt, mit meinen gleich daneben.
    »Ich

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