October Daye: Winterfluch (German Edition)
sterblicher Sicht betrachtete. Ich wirkte wie sechzehn, als ich zu Devin kam, und ich bemühte mich immer, noch jünger auszusehen, wenn ich Bardienst hatte. Es half, wenn man unterschätzt wurde. Sie mochte also durchaus älter sein, als sie aussa h … dennoch betrachtete ich sie als Vierzehnjährige, und die Art, wie sie sich gab, verriet mir, dass ich damit ziemlich richtigliegen musste.
»Tut mir leid, Lady, aber Sie können wieder nach Hause gehen«, fuhr sie fort. »Er ist beschäftigt.«
Innerlich seufzte ich. Ich hatte sie nicht unterschätzt; sie war tatsächlich so jung, wie sie wirkte, und sie hatte keine Ahnung, mit wem sie sich anlegte. Ich verengte die Augen zu Schlitzen und setzte eine finstere Miene auf. Sie leckte sich über die Lippen und starrte mich mit einem Ausdruck an, der wahrscheinlich ein mattes Hohnlächeln zeigen sollte. Es gelang mir, nicht zu lachen. Stattdessen schüttelte ich den Kopf und wiederholte: »Ich muss zu Devin. Sofort, bitte.«
»Warum wollen Sie denn zum Boss?«, fragte sie gedehnt. Ihr Akzent fing an, mir auf die Nerven zu gehen. »Ich glaube kaum, dass er Sie erwartet. Ich denke eher, Sie versuchen, sich einzuschleichen.«
Nun, zumindest war sie klug genug, meine Motive zu erahnen. Was ihr jedoch wenig helfen würde, zumal ich nicht vorhatte, mich von ihr aufhalten zu lassen. »Spielt das denn eine Rolle?«, gab ich zurück. »Jemand von euch, mir völlig egal, wer, soll Devin sagen, dass Toby hier ist und auf der Stelle mit ihm reden muss.«
Das Mädchen grinste und dachte offensichtlich, ich würde nachgeben. »Ich finde eher, Sie sollten sich mal eine Weile setzen.«
War ich je so jung oder so dumm? So jung vielleicht. »Ich finde, du solltest Devin ausrichten, dass ich hier bin.«
»Wirklich? Denn ich glaub e … nein. Ich glaube, Sie setzen sich, und in einer Stunde empfängt er Sie. Vielleicht auch in zwei Stunden. Für ihn macht das wirklich keinen Unterschied, Lady.« Damit wollte sie sich abwenden. Ich packte ihren Arm und drehte ihn ihr auf den Rücken. Sie schrie auf und versuchte, sich mir zu entwinden. »Hey! Verrücktes Miststück!«
Ihr Bruder verkrampfte sich, setzte jedoch nicht dazu an, ihr zu helfen. Kluger Junge. »Richtig, ich bin ein verrücktes Miststück. Mein Name ist October Daye. Klingelt dabei was?«
Ihre Augen weiteten sich. »Ä h … «, stammelte sie mit plötzlich sehr leiser und fast völlig akzentfreier Stimme. »Daye? Wie die Fischfrau?«
»Ja, ganz genau. Die ›Fischfrau‹. Weißt du, was geschieht, wenn man sich mit jemandem anlegt, der deinen Boss schon so lange kennt wie ich? Ich habe bereits für ihn gearbeitet, bevor du geboren wurdest. Glaubst du, es wird ihm gefallen zu erfahren, was für Schwierigkeiten ich dabei hatte, eingelassen zu werden?« Sie erbleichte und versuchte, sich loszureißen. Beinah tat sie mir lei d – beinah. Aber wenn man gerade gegen seinen Willen in Fae-Politik verwickelt und verflucht wurde und eine Freundin verloren hatte, obendrein alles in einer einzigen Nacht, dann steht Mitgefühl nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste. »Ich glaube kaum, dass du Freude an seiner Reaktion hättest. Wie heißt du?«
»Dare, Ma’am. Mein Name ist Dare«, stieß sie hervor und stolperte über die eigenen Worte. Sie sah aus, als wäre sie gerade vor die Tür gegangen und hätte Godzilla auf dem Rasen erblickt. Ich war nicht sicher, was mir mehr Kopfzerbrechen bereitet e – dass ich diesen Gesichtsausdruck verursacht hatte oder dass ich es genoss.
»Also, Dare, ich habe eine Idee«, sagte ich und ließ ihren Arm los. Sie entfernte sich rücklings aus meiner Reichweite. »Du gehst jetzt mal los und bestellst Devin, dass ich hier bin. Und ich vergesse diesen kleinen Plausch einfach. Was hältst du davon?« Hastig nickte sie. Ich lächelte. »Gut. Dann lauf los. Hopp, hopp.«
Sie drehte sich um und rannte in den hinteren Bereich des Raums. Dabei hinterließ sie in der Luft eine Glitterspur, die sich auflöste, während sie zu Boden rieselte. Ich zog die Augenbrauen hoch. Pixie-Schweiß. Offenbar gab es im Stammbaum von Devins neuer Lakaiin eine der Pixie-Rassen. Das war interessant. Das Kleinvolk kreuzt sich selten mit Menschen, und wenn doch, dann neigt sein Blut dazu, sich stark zu verwässern. Zählte man dazu noch das Tylwyth-Teg-Blut, auf das Dares Haar und Augen hindeuteten, so gelangte man zu dem Schluss, dass jemand aus ihrer Ahnenreihe einen zweifellos abwechslungsreichen Geschmack
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