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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Lächeln bedachte, das ich genauso spöttisch erwiderte, wenn ich auch zugeben musste, dass seines wahrscheinlich eher gerechtfertigt war. Er trug die blaue und goldene Livree von Schattenhügel und hätte in dieser Kluft jeden bis hin zu Oberon höchstpersönlich empfangen können. Ich hingegen kreuzte hier in Jeans auf. Nicht unbedingt geeignet für einen herzöglichen Hof.
    »Wäre die Dame so freundlich, mir ihr Begehr zu nennen?«, fragte er.
    »Die Dame ist hier, um den Herzog zu sehen. Wie möchtest du, dass sie das anstellt?«
    Er bedachte mich mit einem weiteren, noch verächtlicheren Blick. »Vielleicht sollte die Dame sich erst umziehen.«
    »Gewiss«, gab ich zurück. Es gibt gewisse Förmlichkeiten, an die man sich zu halten hat. Sich für den Hof umzuziehen, wenn man dazu aufgefordert wird, gehört dazu.
    Der Lakai deutete auf eine Tür rechter Hand. Ich verbeugte mich flach, ging hinüber und öffnete sie.
    Der Raum auf der anderen Seite war größer, als er eigentlich hätte sein dürfen. Verspiegelte Wände reflektierten unendlich viele Frauen mit erschöpften Augen, verhüllt von den dünnen Schwaden eines hastig gewobenen Trugbanns. Auf einem Tisch in der Mitte des Raums türmten sich Blätter, Federn, Blumenblüten und gekardete Spinnenseidenballen. Was damit zum Ausdruck gebracht wurde, war für Faerienormen simpel: War man nicht in der Lage, aus dem, was hier angeboten wurde, einen funktionierenden Zauber zu fertigen, konnte das Anliegen nicht so wichtig sein. Es ist ein subtiles Vorurteil der Reinblütler, eines der wenigen, die sich in Schattenhügel gehalten haben. Ich holte tief Luft und ließ meine Tarnung vergehen, bis mir aus einer der unzähligen Spiegelungen ein erschöpfter Wechselbalg zublinzelte, dessen spitze Ohren durch ungekämmtes braunes Haar hervorlugten. Es war an der Zeit, mich für den Adel herauszuputzen.
    Nachdem ich betrachtet hatte, was auf dem Tisch lag, entschied ich mich für eine Handvoll Blätter und einen Ballen Spinnenseide. Für wahrhaft kunstvolle Kleider braucht man sowohl Schneiderinnen als auch die Mittel, sie zu bezahlen. Die wenigsten Wechselbälger sind so wohlhabend, deshalb behelfen wir uns mit einem endlosen Strom von Wegwerfillusionen und kurzlebigen Verwandlungen, bei denen wir aus den Rohmaterialien, die von den verschiedenen Höfen bereitgestellt werden, bestmöglich etwas zusammenbasteln. Solange wir danach nicht aussehen wie eine Küchenhilfe, ist es in Ordnung.
    Ich schloss die Augen, zerknüllte die Blätter in den Händen und mischte sie mit Spinnenseide, bis sich eine gummiartige Paste daraus ergab, die meine Finger zusammenklebte. Sobald das Zeug aufhörte zu knirschen, wenn ich es knetete, fuhr ich mit den Händen meine Seiten und meine Oberschenkel entlang und stellte mir ein schlichtes, goldbraunes Baumwollkleid vo r – mit dieser Farbe war ich schon immer vertraut. Dazu erdachte ich mir passende Schuhe, in denen man auch vernünftig laufen konnte. Eine Nacht mit Stöckeln reichte mir für eine Weile. Der Geruch von Kupfer und frisch geschnittenem Gras verdichtete sich rings um mich und verbannte beinah den Geschmack der Rosen, als der Zauber Gestalt annahm.
    Das gummiartige Gefühl an meinen Händen schwand und wurde durch das Rascheln schwerer Röcke um meine plötzlich nackten Beine ersetzt. Im Nacken spürte ich keine Haare mehr. Mit einem letzten Anschwellen von Kupfer rastete der Zauber ein und ließ mich taumeln. Obwohl ich ausgeruht war, verlangte mir das Weben derart komplexer Magie genug Anstrengung ab, dass ich mich einen Augenblick schwer auf den beladenen Tisch stützen musste, bevor es mir gelang, die Augen auf die Spiegel zu konzentrieren. Als sie es dann taten, betrachtete ich mich und seufzte.
    Das Kleid passte nicht.
    Ich hatte Baumwolle im Sinn gehabt und Samt erschaffen; der Ausschnitt war erheblich tiefer geraten, als ich beabsichtigt hatte, und das Oberteil war mit Efeuranken bestickt, wodurch es noch stärker so aussah, als wollte ich von meinem Gesicht ablenken. Dankenswerterweise hatte ich die Schuhe bequem hinbekommen, allerdings wiesen auch sie zum Kleid passende Stickereien auf. Sogar mein Haar war mir misslungen und in einer eleganten Reihe von Schichten hochgesteckt, durch die es wirkte, als wäre es nicht glatt. Finster starrte ich mein Spiegelbild an. Es änderte sich nicht.
    Es war zwar nicht, was ich beabsichtigt hatte, aber es war immerhin ein anständiges Kleid, und ich hatte keine Lust, ein neues

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