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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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anzufertigen. Es würde reichen müssen. Ich drehte mich um und verließ den Raum.
    Obwohl ich durch dieselbe Tür hinausging, durch die ich eingetreten war, gelangte ich auf einen völlig anderen Flur. Der Lakai, der mich hineingescheucht hatte, war verschwunden und durch einen Pagen ersetzt worden, der in steifer Habachtstellung vor den Türen zum Audienzsaal stand. Im Gegensatz zu meinem Kleid waren sein gestärkter Wappenrock und seine Hose wahrscheinlich echt. Dieser Bursche hielt die Würde seines Amtes unbestreitbar hoch. Ach ja, und mit dem Alter würde er wahrscheinlich auch nachlässiger werden.
    Seine Züge verhärteten sich, als er mich erblickte, seine Augen hefteten sich auf die stumpfen Enden meiner Ohren. Er war nicht bloß jung, sondern so jung, dass er glaubte, Wechselbälger hätten am Hof nichts verloren. Interessant.
    Manchmal begegnet man Vorurteilen am besten dadurch, dass man sie ignoriert. »Guten Morgen«, sagte ich. »Ich bin hier, um Sylvester zu sehen.«
    »Und Ihr seid?«, fragte er und bedachte mich mit der Sorte von Blick, die für gewöhnlich Leuten mit ansteckenden Krankheiten und unbezahlten Rechnungen vorbehalten ist. Etwas an ihm wirkte vertraut. Er hatte das blonde Haar und die blauen Augen der meisten Daoine Sidhe und sah aus, als wäre er vielleicht vierzehn Jahre alt.
    »Sir October Daye vom Königreich der Nebel, einst vom Lehen des Heims, Ritter der verlorenen Worte, vereidigt unter Sylvester Torquill, Tochter der Amandine aus Faerie und des Jonathan Daye aus der Welt der Sterblichen«, sagte ich. Meine vollständigen Titel aufzuzählen dauert zu lange, und ich bin ja bloß ein Ritter. Wenn die echten Adligen eintreten, kann das Stunden dauern. »Außerdem eine alte Freundin des Herzogs und der Herzogin, als o – lässt du mich vorbei, oder soll ich mich durch die Küche hineinschleichen?«
    Der Page blinzelte und verengte die Augen. »Oh«, sagte er. »Ihr seid das.«
    Ich blinzelte ebenfalls. »Sind wir uns schon mal begegnet?«
    »Nur im allerengsten Sinn des Wortes«, erwiderte er und sprach dabei mit leicht kanadischem Akzent.
    Es war mehr der Tonfall als der Akzent, der mich darauf brachte. »Oh«, sagte ich. »Ä h … hallo. So siehst du viel besser aus. Diese ganze Menschengeschichte passt nicht zu dir.«
    »Ich bin sicher, Ihro Gnaden warten bereits«, gab der Page frostig zurück.
    Sylvester wartete keineswegs. Er wusste gar nicht, dass ich kam. In Anbetracht dessen war ich versucht, noch ein Weilchen im Flur zu bleiben, mit dem Pagen zu reden und mir Zeit zu nehmen, um zu versuchen, ihm hinsichtlich seiner Ansichten über Reinblütler und Wechselbälger ins Gewissen zu rede n … aber Zeit war nicht gerade etwas, das ich im Überfluss besaß. Wenn ich mich nicht von selbst in Bewegung setzte, würde Evenings Fluch schon dafür sorgen, dass ich es täte.
    Wiedersehen werden nicht einfacher, indem man sie hinauszögert. Ich bot dem Pagen ein letztes, förmliches Neigen meines Hauptes dar, dann schritt ich an ihm vorbei in den Audienzsaal.
    Abgesehen von vier Gestalten, die auf dem Podium am entfernten Ende des Raums saßen, präsentierte sich der Saal verwaist. Der Großteil von Schattenhügel ist etwas größer gebaut, als es notwendig wäre, und kein Raum spiegelt diesen ästhetischen Anspruch besser wider als der Audienzsaal, den man ohne Weiteres als Schauplatz für einen überdachten Jahrmarkt verwenden könnte, sollte Sylvester je den Drang danach verspüren. Bislang hatte er das nicht getan, soweit ich wusste, aber einige der Feiern, die er und Luna veranstaltet haben, waren groß genug, um legendär zu werden. Der Schöpfer des Mugels hatte wahrscheinlich beabsichtigt, dass der Raum majestätisch wirken und in Bittstellern Ehrfurcht erwecken sollte. In mir hat er nie etwas anderes als das Bedürfnis entfacht, mir ein Paar Rollschuhe zu besorgen, um die Gehzeit zu halbieren.
    Meine Schritte hallten vom Marmorboden wider. Ich hatte den Raum halb durchquert, als ich Einzelheiten der Gestalten auf dem Podium erkennen konnte: zwei Männer und zwei Frauen, ein Mann und die jüngere Frau mit dem charakteristischen fuchsroten Torquill-Haar. Die andere Frau war mit silberpelzigen Ohren und drei auf einem Samtkissen neben ihr eingerollten Schwänzen noch buchstäblicher fuchsartig. Der jüngere Mann sah eigenartig aus und wirkte neben den anderen beinah fehl am Platz. Sein Haar bildete einen unordentlichen Wuschel aus graubraunen Locken, sein Zugeständnis an die

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