October Daye: Winterfluch (German Edition)
stellte fest, dass ich mich am Fuß des Hügels befand und wieder meine Kleider trug. Ein laues Summen in der Luft verriet mir, dass sich meine menschliche Tarnung eingeschaltet hatte. Ich betastete eine Ohrspitze, um mich zu vergewissern, dass sie rund war. Sie war es. Ich steckte die Hände in die Taschen und schaute den Hügel hinauf zu der Eiche, die als Eingang diente, bevor ich mich seufzend in Bewegung setzte und über den Parkplatz ging.
Mein Wagen befand sich noch dort, wo ich ihn abgestellt hatte, und schien unangetastet zu sein, obwohl ich ihn nicht abgesperrt hatt e – was jedoch keine echte Überraschung bedeutete. In Pleasant Hill gibt es kaum Verbrechen; das Schlimmste sind für gewöhnlich Banden von Halbwüchsigen, die einander herumschubsen und sich »Ihr nervt!« an den Kopf werfen. Das ist eine angenehme Abwechslung, insbesondere im Vergleich zu San Francisco, wo es in einigen der weniger ehrbaren Viertel beispielsweise als vollkommen akzeptabel gilt, der Freundin als Liebesbeweis ein abgeschnittenes Ohr zu überreichen.
Ich öffnete die Tür, stieg ein und gurtete mich an. Als ich den Zündschlüssel herumdrehte, ging das Radio an, und ich drückte auf die Suchlauftaste, bis ich den hiesigen Achtziger-Sender fand. Ich höre gern Musik, die ich wiedererkenne, und dazu gehört ein Großteil der Songs, die zurzeit die Hitparaden bevölkern, definitiv nicht. Bis ich die Bay Bridge erreichte und auf den Verkehr achten musste, beschäftigten mich Gedanken an den Fall und an Schattenhügel. Trotz der anderen Fahrzeuge gestaltete sich die Zusammenführung nicht schwieri g – abgesehen von zwei Dränglern und der zierlichen alten Dame, die davon überzeugt schien, die Geschwindigkeitsbegrenzung betrage 30 Stundenkilometer. Ich hatte es nicht eilig und genug zum Grübeln, während ich darauf wartete, zur Mautstelle zu kommen. Im Schneckentempo folgte ich dem Verkehrsstrom und schüttelte den Kopf. Ich würde einfach so lange darüber nachdenken, bis sich das Puzzle zusammenfügte und alles einen Sinn ergab. Dann würde ich Evenings Mörder finden, ihnen Gerechtigkeit angedeihen lassen und mich für eine Woche ins Bett verdrücken.
Der Kassierer an der Mautstelle sah mich nicht einmal an, als er mir die Hand entgegenstreckte und mit tonloser Stimme verkündete: »Vier Dollar.«
Lächelnd griff ich in die Tasche und reichte ihm vier der Pilze, die ich im Gras unter meinem Fenster gepflückt hatte. »Frau Susi hat ein Boot, da kann sie überwintern«, sagte ich zu ihm. Er setzte schon dazu an zu protestieren, und ich beendete den Vers: »Doch warm ist’s darauf nicht, sie friert sich ab de n – Hinterm Berg wohnen Zwerg’ in ihrem Haus, aus die Maus.« Der Geruch von Kupfer und frisch geschnittenem Gras stieg um mich herum auf und rankte sich um den Kopf des Mautkassierers.
Hinter meinen Augen zuckte kurz ein stechender Schmerz auf, und ich verkrampfte den Griff um das Lenkrad. Der Trugbann schien zu wirken, denn der Kassierer warf die Pilze in die Mautkassette und winkte mich durch. Ich lächelte matt, tippte mir an einen imaginären Hut und fuhr weiter. Ja, es war gemein, kleinlic h … und wahrscheinlich war es sogar etwas, das ich besser nicht hätte tun sollen. Andererseits hat es eine lange Tradition, menschliches Geld durch beliebige Elemente aus der Pflanzenwelt zu ersetzen, und von Fae wird schließlich erwartet, dass sie die Tradition achten und hochhalten, oder? Außerdem tue ich es ja nur, wenn jemand unhöflich zu mir ist. Oder wenn ich den Betrag nicht passend habe.
Der Verkehr auf der Brücke erwies sich als übersichtlich, und ich glaubte schon, dass ich den Rest des Weges nach Hause ohne Zwischenfälle bewältigen würde. Lächelnd freute ich mich auf eine gemütliche Fahrt zu meiner Wohnung, gefolgt von einer Pause, in der ich anfangen könnte, die Hinweise zu etwas zusammenzufügen, das einem durchgängigen Bild zumindest ähnelte. Die Verlockung, der Königin die Schuld zuzuschieben, war groß, obwohl ich dafür vermutlich hingerichtet werden würde. Leider glaubte ich nicht, dass ich mit dieser Theorie besonders weit käme; etwas daran stimmte irgendwie nicht. Na ja. Ich hatte Zeit, um darüber nachzudenken.
Ich bin sicher, irgendwo steht es geschrieben, möglicherweise im Terminkalender des Schicksals: »October Daye darf nie genug Zeit haben, um darüber nachzudenken, was sie als Nächstes tun wird.« Ich befand mich genau auf halbem Wege über die Brücke und war von Wasser
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