Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
der sich in eine Höhle oder eine Waldhütte flüchtet und mürrisch jeden Kontakt mit den Toten und Lebenden verweigert. Aber mein Herz sagt mir, dass ich meine Gabe erhalten habe, um sie zu nutzen, selbst wenn sie noch so unvollkommen ist. Wenn ich das leugne, werde ich einfach verkümmern und nach diesem Leben kein weiteres verdienen, in dem ich meine Stormy wiedersehen kann.
    Während ich auf dem Fahrweg hinter Hutchs Haus stand, suchte ich also wieder einmal niemanden, der mich umbringen wollte, sondern eine junge Frau, die womöglich meine Hilfe brauchte, um am Leben zu bleiben. Glücklicherweise hieß das, dass ich wahrscheinlich nicht unversehens in eine Falle stolperte.
    Der dichte, alles dämpfende Nebel wirkte wie eine Zeitmaschine, von der die Nacht mehr als hundert Jahre zurückgedreht wurde. Er brachte alle Geräusche der modernen Zivilisation zum Schweigen - Automotoren, Radios, aus den Fernsehgeräten hinter den Häuserwänden dringende Stimmen. Die friedvolle Ruhe des neunzehnten Jahrhunderts hüllte den Ort ein.
    Kaum hatte ich, immer an Annamaria denkend, den ersten Keks verzehrt, als ich mich plötzlich in nördlicher Richtung in Gang setzte wie ein Kutschpferd, das einer so vertrauten Route folgt, dass es gar nicht an sein Ziel zu denken braucht.
    Die sonst elektrisch hellen Fenster glommen nur sanft, als wären die Zimmer von Kerzen erleuchtet. Am Ende des
Fahrwegs standen Straßenlaternen, deren Natriumgelb leicht im dahintreibenden Nebel zu pulsieren schien wie Gasflammen.
    Meinen zweiten und letzten Keks knabbernd, wandte ich mich an der Kreuzung nach rechts und damit landeinwärts.
    Es war erst Viertel vor sieben an diesem Mittwochabend, doch die Stadt sah aus, als wäre sie schon zu Bett gegangen. Wegen der feuchten Kühle reduzierten offenbar selbst die Hundebesitzer jeden Spaziergang auf ein Minimum, und die schlechte Sicht hielt die Autofahrer von allen unnötigen Ausflügen ab.
    Drei oder vier Kreuzungen weiter hatte ich erst zwei fahrende Autos erblickt, beide aus einiger Entfernung. Sie sahen aus wie von Jules Verne erfundene Unterseeboote, die leise durch die trüben Meerestiefen fuhren.
    Ich war in eine recht malerische Wohngegend gelangt, die man als Backsteinviertel bezeichnete, obwohl die Stra ßen nicht mit Ziegeln gepflastert und nur zwei Häuser aus Backstein erbaut waren. Da bog an der nächsten Kreuzung ein großer Wagen um die Ecke. Das weiche Kaleidoskop des Nebels ließ weiße Muster durch die Scheinwerfer wirbeln.
    Tief in mir sagte eine leise Stimme: Versteck dich!
    Ich verließ den Gehsteig, sprang über eine hüfthohe Strauchhecke und duckte mich dahinter.
    Am Boden hockend, roch ich den Rauch eines offenen Kamins, nasses Blattwerk und Gartenmulch.
    In der Hecke wiederum hatte etwas mich gerochen und schoss aus seinem Versteck hervor. Fast wäre ich erschrocken aufgesprungen, als mir klarwurde, dass ich ein Kaninchen aufgescheucht hatte, das inzwischen bereits über den Rasen gerannt und verschwunden war.

    Der Wagen, ein bulliger Pick-up, näherte sich mit dem gedrosselten Knurren eines Raubtiers auf der Pirsch. Er fuhr eindeutig langsamer, als es die schlechte Sicht erforderte.
    Bedrängt von dem Gefühl, dass hinter mir eine tödliche Bedrohung lauerte, warf ich einen Blick auf das Haus, in dessen Vorgarten ich Zuflucht gesucht hatte. Die Fensterscheiben waren dunkel. Bis auf den träge dahinziehenden Nebel bewegte sich nichts, und soweit ich erkennen konnte, stand nirgendwo ein Beobachter im Dunkel.
    Noch immer auf den Knien, duckte ich den Kopf hinter die Hecke, während der Wagen dröhnend näher kam.
    Der Nebel sog die Scheinwerfer des Fahrzeugs ein und leuchtete wie Sumpfgas, behielt das Licht jedoch bei sich und erhellte weder mich noch die Hecke.
    Obwohl der Fahrer mich nicht hören konnte, hielt ich den Atem an.
    Während der Wagen vorbeischlich, als würde er am Pflaster nach dem Geruch seiner Beute schnuppern, wurde der Nebel wieder dunkler.
    Ich wagte es, gerade so weit aufzustehen, um über die Hecke spähen zu können.
    Obwohl ich kaum drei Meter von der Straße entfernt war, leuchteten die Instrumente am Armaturenbrett nicht hell genug, um den Fahrer erkennen zu können. Zu sehen war nur ein plumper Schatten. Gut sichtbar war allerdings das städtische Wappen auf der Tür. In schwarzen Lettern auf orangefarbenem Hintergrund stand darunter die betreffende Behörde: Hafenmeisterei.
    Der Pick-up verschwand im Nebel; das Motorengeräusch wurde leiser, bis

Weitere Kostenlose Bücher