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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ließ. Er überschwemmte alle Viertel und überzog sie mit der Stille untergegangener Städte. Womöglich war er mehrere hundert Meter hoch.
    Da ich nach Annamaria suchte, kamen mir die trüben Schwaden allerdings zunehmend nicht mehr wie ein Meeresschatten vor, sondern wie die Vorboten einer kommenden Flut, der roten Flut aus meinem Traum.
    Straße um Straße stand jeder Baum verhüllt und bärtig da, bis ich zum Fuß eines breitblättrigen Riesen kam, vor dem der Nebel zurückzuweichen schien. Etwa zwanzig Meter in die Höhe ragend, bot er eine eindrucksvolle Architektur aus weit ausgebreiteten Ästen.
    Wenn man den Namen von Dingen weiß, ist das eine Möglichkeit, der Schönheit der Welt Achtung zu erweisen, weshalb ich die Namen vieler Bäume kenne. Den dieses Exemplars kannte ich jedoch nicht und erinnerte mich auch nicht, schon je so etwas gesehen zu haben.
    Die Blätter bestanden aus zwei Teilen, die jeweils vier Lappen hatten. Zwischen Daumen und Zeigefinger fühlten sie sich dick und wächsern an.
    An den schwarzen Zweigen saßen große weiße Blütenkelche,
die im Dunkeln zu leuchten schienen. Sie ähnelten Magnolienblüten, waren jedoch deutlich imposanter. Wasser tropfte von den Blütenblättern, als hätte der Baum den Nebel kondensiert, um sie zu bilden.
    Hinter dem Baum stand, nur halb sichtbar, ein viktorianisches Haus mit zwei Stockwerken. Es war weniger überladen als andere Gebäude in diesem Stil und hatte nur eine bescheidene Veranda.
    Während der Nebel vor dem Baum zurückzuweichen schien, hüllte er das Haus völlig ein. Das Licht im Innern drang kaum durch die Fensterscheiben.
    Als ich unter dem Baum hindurchgegangen war, zog es mich nicht auf das Haus selbst, sondern auf die daneben stehende Garage zu. Sie besaß ebenfalls ein Obergeschoss, durch dessen Fenster ein rötlicher Schein drang.
    Hinter der Garage führte eine Außentreppe erst zu einem Absatz und dann ganz hinauf. Dort kam ich zu einer Glastür mit vier Scheiben, die von Gardinen verhüllt waren.
    Als ich klopfen wollte, hörte ich, wie das Schloss aufschnappte. Die Tür bewegte sich ein Stück weit nach innen. Durch den Spalt sah ich eine weiß verputzte Wand, auf der im kupferroten Licht feine Schattenringe pulsierten.
    Ich hätte gedacht, dass die Tür mit einer Kette gesichert war, hinter der Annamarias argwöhnisches Gesicht auftauchen würde. Es war jedoch keine Kette vorgelegt, und ein Gesicht zeigte sich ebenfalls nicht.
    Nach kurzem Zögern drückte ich die Tür auf und sah einen großen, von fünf Öllampen erleuchteten Raum.
    Eine der Lampen stand auf einem kleinen Esstisch mit zwei Stühlen. Dort saß Annamaria, der Tür zugewandt.
    Sie lächelte, als ich über die Schwelle trat. Dann hob sie die rechte Hand, um auf den leeren Stuhl zu deuten.

    Froh, die feuchte, kühle Luft hinter mir zu lassen, drückte ich die Tür zu und schloss ab.
    Abgesehen von dem Tisch und den beiden Stühlen bestand das bescheidene Mobiliar aus einem schmalen Bett in der Ecke, einem Nachttisch mit einer gebogenen Schreibtischlampe, einem abgewetzten, durchhängenden Sessel samt Fußhocker und einem Beistelltisch.
    Die fünf über den Raum verteilten Öllampen waren niedrige Glasgefäße mit langem Hals, in denen ein brennender Docht schwamm. Zwei waren goldbraun, drei waren rot.
    Als ich mich zu Annamaria an den Tisch setzte, stellte ich fest, dass mich ein Abendessen erwartete. Zwei Sorten Käse und zwei Sorten Oliven. Zerteilte Tomaten, Gurkenscheiben. Zwei Schalen mit Kräutern gewürzter Joghurt, auf dem jeweils ein Spritzer Olivenöl glänzte. Ein Teller mit reifen Feigen. Ein Laib knuspriges Brot.
    Wie durstig ich war, merkte ich erst, als ich den Becher mit Tee sah. Dem Geruch nach war er mit Pfirsichsaft gesüßt.
    Als Dekoration schwammen in einer breiten, flachen Schale drei weiße Blüten von dem Baum im Vorgarten.
    Ohne ein Wort begannen wir zu essen, als wäre nichts ungewöhnlich daran gewesen, dass ich Annamaria gefunden und dass sie mich erwartet hatte.
    Über jeder Öllampe leuchtete an der Decke ein Kreis aus Licht und den zitternden, wässrigen Schatten der Glasgefäße.
    »Sehr hübsch«, sagte ich schließlich. »Die Öllampen, meine ich.«
    »Das Licht anderer Tage«, erwiderte sie.
    »Anderer Tage?«
    »Die Sonne bringt die Pflanzen zum Wachsen, und aus diesen wird Öl gemacht. Wenn das Öl in den Lampen brennt, gibt es das Licht anderer Tage wieder.«

    Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass das Licht einer

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