Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
ja auch nicht daran erinnern.«
Darüber dachte er eine Weile nach. »Das ist wahr«, sagte er schließlich.
»Wahr genug, Sir«, stimmte ich ihm zu und wechselte das Thema. »Ich werde Ihnen eine Notiz übers Abendessen hinterlassen.«
Er legte den Roman weg, den er gelesen hatte. »Ach, du kochst Abendessen?«
»Das habe ich bereits getan. Enchiladas mit Huhn in Tomatillosauce.«
»Ich liebe deine Enchiladas in Tomatillosauce!«
»Dazu ein Auflauf aus Reis und grünen Bohnen.«
»Ist der Auflauf auch mit grüner Sauce?«
»Ja, Sir.«
»Sehr fein. Wärme ich alles in der Mikrowelle auf?«
»Genau. Ich schreibe Ihnen auf, wie lange.«
»Könntest du wohl Klebezettel auf die Schalen tun?«
»Die müssen Sie aber wegmachen, bevor Sie die Schalen in die Mikrowelle stellen.«
»Natürlich. So einen Fehler mache ich schon nicht. Jedenfalls nicht noch einmal. Gehst du aus?«
»Nur eine kleine Weile.«
»Du gehst doch nicht für immer weg, oder?«
»Nein, Sir. Und Corrinas Schmuck habe ich auch nicht gestohlen.«
»Einmal war ich ein Diamantenhändler«, sagte Hutch. »Da wollte meine Frau mich umbringen lassen.«
»Doch nicht Corrina?«
»Barbara Stanwyck. Sie hatte eine Affäre mit Bogart, und die beiden wollten mit den Diamanten nach Rio abhauen. Aber dabei ist natürlich etwas schiefgelaufen.«
»Etwa ein Tsunami?«
»Du bist ja ganz schön verschmitzt, mein Junge!«
»Verzeihen Sie, Sir.«
»Nein, nein. So etwas mag ich. Ich glaube, meine Karriere wäre viel erfolgreicher verlaufen, wenn ich auch ein paar komödiantische Rollen bekommen hätte. Auf meine Weise kann ich nämlich recht komisch sein.«
»Das ist mir durchaus bewusst.«
»Barbara Stanwyck wurde von fleischfressenden Bakterien verschlungen, und Bogart wurde von einem Asteroiden erschlagen.«
»Das hatte das Publikum sicherlich nicht erwartet.« Hutch griff wieder nach seinem Buch. »Gefällt dir der Nebel draußen so sehr, dass du darin noch einmal spazieren gehen willst, oder ist da noch etwas, das ich wissen sollte?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Dann werde ich warten, bis es klingelt, und dich dann gegenüber jedem, der fragt, als Schurken denunzieren.«
»Danke sehr.«
In der Küche leerte ich das Eis ins Spülbecken und warf den Beutel in den Müll.
Die Schwellung an meinem Kopf war immer noch halb so groß wie eine Pflaume, aber immerhin pochte es nicht mehr darin.
Auf zwei große gelbe Klebezettel schrieb ich mit einem blauen Kugelschreiber Anweisungen für das Aufwärmen der Enchiladas und des Reisauflaufs. Mit rotem Stift fügte ich in Blockbuchstaben hinzu: ZETTEL BITTE VOR DEM AUFWÄRMEN ENTFERNEN!
An der Arbeitsinsel stehend, durchsuchte ich den Inhalt der Geldbörse, die ich dem Lampenmann abgenommen hatte.
Auf dem Foto seines kalifornischen Führerscheins erkannte ich den Mann, mit dem ich am Strand gekämpft hatte. Er sah allerdings nur entfernt so aus wie etwas, das man aus einem Hexenkessel heraufbeschworen hatte. Sein Name lautete Samuel Oliver Whittle. Er war dreißig Jahre alt und wohnte in Magic Beach.
Auf dem Foto seines in Nevada ausgestellten Führerscheins grinste er breit in die Kamera, was ein Fehler war. Das Grinsen
veränderte sein Gesicht, und zwar nicht vorteilhaft. Er sah aus wie ein irrer Schurke aus einem Batman-Film.
In Nevada, wo er eine Wohnung in Las Vegas hatte, war er als Samuel Owen Bittel bekannt. Außerdem war er zwei Jahre älter als in seiner kalifornischen Inkarnation, aber das lag vielleicht daran, dass man in Vegas angesichts des dortigen Lebensstils früher alterte.
Kreditkarten besaß er keine. In einem Land, das nicht nur in die Zukunft blickte, sondern auch von deren finanziellen Einkünften lebte, machte ihn das verdächtig.
Irgendeine Kranken- oder Sozialversicherungskarte enthielt die Börse ebenso wenig wie einen der anderen Ausweise, die zu erwarten gewesen wären.
Vorhanden war allerdings ein Dienstsausweis, der ihn als Mitarbeiter der Hafenmeisterei von Magic Beach identifizierte.
Dadurch ergab sich plötzlich eine ganz neue Perspektive. Vielleicht hatte der Kerl mit dem Kinnbart das Schlauchboot gar nicht eigenmächtig in Betrieb genommen, sondern hatte die Erlaubnis, es zu verwenden, weil er ebenfalls für die Hafenmeisterei arbeitete. Diese war nämlich auch für die Strände und den einzigen Pier des Ortes zuständig.
Dass die zwei Rotschöpfe auch für die Stadt arbeiteten, war hingegen kaum anzunehmen. Schlägertypen, die bei einer Behörde
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