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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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angestellt waren, versuchten normalerweise, nicht wie Schlägertypen auszusehen.
    Nachdem ich die Karten wieder in Sam Whittles Börse untergebracht hatte, steckte ich diese in meine linke Gesäßtasche.
    Egal, welchen Problemen ich in den kommenden Stunden begegnete, in mindestens einigen Fällen würden Männer mit Waffen beteiligt sein. Ich besaß keine eigene Pistole und wollte
auch keine. Gelegentlich hatte ich die Schusswaffe eines Schurken verwendet, nachdem ich sie ihm abgenommen hatte, aber nur aus Verzweiflung.
    Als ich klein war, hat meine Mutter dafür gesorgt, dass ich Schusswaffen immer kritisch gegenüberstehen werde - nicht weil sie selbst dieser Meinung gewesen wäre, sondern weil sie krankhaft an ihrer eigenen Pistole hing. Seither sind solche Dinger mir unheimlich.
    Wenn ich in der Klemme sitze, nehme ich als Waffe lieber etwas, das gerade bei der Hand ist. Das kann alles von einer Brechstange bis hin zu einer Katze sein. Wenn ich die Wahl hätte, wäre mir eine wütende Katze allerdings lieber, denn die ist wirksamer als eine Brechstange, wie sich bereits erwiesen hat.
    So verließ ich das Haus zwar waffenlos, aber mit zwei Schoko-Kürbiskeksen in der Tasche. Die Welt draußen ist hart, weshalb man sich dagegen wappnen muss, so gut man nur kann.

12
    Lautlos kroch der Nebel den Fahrweg hinter Hutchs Haus entlang. Er setzte eine Pfote vor die andere, rieb seine pelzigen Flanken an den auf beiden Seiten stehenden Garagen, schlüpfte zwischen Zaunlatten hindurch, kletterte an Wänden hoch, züngelte an jeder Ecke und Nische, in der eine Maus oder Eidechse sich verborgen haben mochte.
    Die an der Erde haftenden Wolken hüllten nahe Dinge in einen geheimnisvollen Schleier und rückten fernere Dinge noch weiter weg, bis sich in einer gewissen Distanz alles ganz auflöste. Der Anblick weckte in mir unwillkürlich die urtümliche Überzeugung, gleich da hinten befinde sich der Rand der Erde, ein Abgrund, von dem ich in endlose ewige Leere stürzen konnte.
    Während ich mich langsam einmal und dann noch einmal im Kreis drehte, knabberte ich einen Keks und konzentrierte mich auf Annamaria - auf ihr schwarzbraunes Haar, ihr Gesicht, ihre zu bleiche Haut. Ich sah, wie sich ihre zarte Hand um die vom Meer geschliffene Kugel aus grünem Flaschenglas schloss und sich damit in den langen Ärmel ihres Pullovers zurückzog.
    Meine unvollkommene Begabung hat einen weiteren unvollkommenen Aspekt, über den ich bereits berichtet habe, wenn auch noch nicht in diesem vierten Manuskript. Stormy
Llewellyn, meine tote Freundin, hat sie gern als »übersinnlichen Magnetismus« bezeichnet.
    Wenn ich jemanden finden möchte, dessen Aufenthaltsort mir nicht bekannt ist, dann kann ich mich einfach meiner Intuition überlassen. Indem ich mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß durch die Gegend streife und mich dabei auf Gesicht und Namen der betreffenden Person konzentriere, habe ich sie normalerweise innerhalb einer halben Stunde aufgespürt, als würde ich von ihr magnetisch angezogen.
    Problematisch ist dieses praktische Talent, weil ich nicht kontrollieren oder vorhersehen kann, wann und wo sich die erwünschte Begegnung ereignet. Zum Beispiel kann ich mein Ziel irgendwann auf der anderen Seite einer stark befahrenen Straße erspähen - oder ich biege um eine Ecke und stoße mit ihm zusammen.
    Suche ich also einen üblen Typen, so führt mich meine Gabe entweder auf seine Spur - oder sie lässt mich in seine Klauen fallen.
    Wenn ich wiederum jemanden suche, der keine Bedrohung darstellt und den ich nur befragen oder vor einer Gefahr warnen will, dann kann ich mich nicht darauf verlassen, Erfolg zu haben. Normalerweise finde ich die Person, die ich suche, durchaus, aber nicht immer. Verlasse ich mich jedoch in einer verzweifelten Lage auf meinen Magnetismus, so verliere ich manchmal wertvolle Minuten, wenn ich eigentlich keine Sekunde zu vergeuden hätte.
    Also bin ich aus mehreren Gründen ein sehr unvollkommener Beschützer unschuldiger Menschen, die sich in Gefahr befinden. Ich kann die auf Erden verweilenden Toten sehen, aber nicht hören, was sie mir erzählen wollen; ich habe prophetische Träume, die nie genügend Einzelheiten enthalten, um genau zu wissen, was sie ankündigen und wo beziehungsweise
wann die Katastrophe stattfinden wird; und schließlich bin ich nicht mit Pistole oder Schwert bewaffnet, sondern nur mit Keksen.
    Diese ganze furchtbare Ungewissheit hätte im Grunde einen Einsiedler aus mir machen sollen,

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