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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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war, waren die Bücher auch nicht gewaltsam von einer Wand zur anderen geschossen, sondern im Zimmer gekreist wie Pferdchen auf einem Karussell. Jedes Mal wenn ich versuchte, einen der Bände aus der Luft zu schnappen, war er mir entwischt.
    »Mr. Mitchum meinte also, Sie würden immer wieder auf die Beine kommen, bis einer von euch beiden tot wäre«, wiederholte ich, »aber bei diesem Kampf, Sir, ist einer von uns beiden bereits tot.«
    Sein sonniges Lächeln wurde einen Moment eisig, taute jedoch gleich wieder auf. So düster seine schlechte Laune auch sein konnte, sie dauerte nie lange an.
    »Es hat keinen Sinn, mir Widerstand zu leisten. Überhaupt keinen Sinn. Schließlich will ich Ihnen bloß helfen.«
    Wie so oft konnte ich nicht deuten, was die fantastisch blauen Augen ausdrückten, aber immerhin loderte in ihnen keine Feindseligkeit.
    Nach kurzem Zögern kniff er mir liebevoll in die Wange. Dann trat er zum Fenster, wandte mir den Rücken zu und
blickte in die Nacht hinaus, ein echter Geist, der draußen unzählige falsche Geister durch den Nebel ziehen sah.
    Mir kam »It Was a Very Good Year« in den Sinn, ein Song, in dem ein unverbesserlicher Casanova sich ebenso sentimental wie prahlerisch seinen Erinnerungen hingibt. Durch die schmerzliche Melancholie seiner Interpretation hatte Mr. Sinatra Text und Musik zu Kunst gemacht.
    Für Ol’ Blue Eyes waren die guten wie die schlechten Jahre nun endgültig dahin, und was blieb, war ewiger Natur. Möglicherweise fürchtete er sich vor der Ewigkeit, weil er etwas bereute, aber da war ich mir nicht sicher.
    Sein Zögern konnte auch damit zu tun haben, dass im nächsten Leben keinerlei Kämpfe zu erwarten waren. Er hatte es im Leben jedoch offenbar genossen, sich durchzuschlagen, und vielleicht konnte er sich nicht vorstellen, dass ein Leben ohne Kampf von Interesse war.
    Ich hingegen kann mir das problemlos vorstellen. Egal, was mich nach dem Tod erwartet, ich werde nicht auf dieser Seite der Tür herumlungern. Wahrscheinlich überquere ich die Schwelle sogar im Sprung.

11
    Ich wollte das Haus nicht durch die Vordertür verlassen. So, wie die Dinge gerade liefen, stand womöglich bereits die Barbarenhorde im Vorgarten, um Hutch einen Besuch abzustatten.
    Laut meinem persönlichen Wörterbuch können drei üble Kerle, die mindestens einen Kinnbart, ein verdorbenes Gebiss und drei Pistolen aufzuweisen haben, durchaus schon als Horde gelten. Das lasse ich mir nicht nehmen.
    Durch die Hintertür zu verschwinden, bedeutete, dass ich am Wohnzimmer vorbeigehen musste, wo Hutch über die Frau und den Sohn brütete, die er nie gehabt hatte, und darüber, wie einsam und verletzlich er war, seitdem er die beiden verloren hatte.
    Es machte mir nichts aus, noch einmal als undankbarer kleiner Scheißer bezeichnet zu werden; schließlich handelte es sich nur um eine Probe für den Besuch eines Hordenvertreters. Allerdings hatte es mich bereits zwanzig Minuten gekostet, in der Küche mit Hutch zu plaudern, mich rasch zu duschen und umzuziehen, und nun war es dringend an der Zeit, nach Annamaria zu suchen.
    »Odd«, sagte Hutch, als ich versuchte, so verstohlen wie ein Spezialagent in Tarnkleidung und geräuschdämpfenden Schuhen an der offenen Wohnzimmertür vorbeizukommen.
    »Ach, hallo!«

    In seinem Sessel sitzend, hatte Hutch einen voluminösen Chenilleschal über den Schoß gebreitet, als wollte er darin etwas ausbrüten. »Als wir vorhin in der Küche darüber sprachen, wie nützlich eine Strickjacke sein kann …«
    »Eine zerfetzte Strickjacke«, präzisierte ich.
    »Ja. Also, die Frage kommt dir vielleicht merkwürdig vor, aber …«
    »Bestimmt nicht. Mir kommt inzwischen überhaupt nichts mehr merkwürdig vor.«
    »Hast du da Hosen getragen?«
    »Hosen?«
    »Später ist mir der merkwürdige Gedanke gekommen, du hättest womöglich keine Hosen getragen.«
    »Eigentlich trage ich nie Hosen, Sir.«
    »Natürlich trägst du Hosen! Schau dich doch mal an!«
    »Nein, das sind Jeans. Ich besitze nur Jeans … und ein paar Chinos, zugegeben. Aber das würde ich beides nicht als Hosen bezeichnen. Hosen sind eleganter.«
    »Gut, hast du vorhin in der Küche Jeans getragen?«
    In der Tür stehend, drückte ich mir immer noch den Eisbeutel an den Kopf. »Chinos habe ich jedenfalls nicht getragen, Sir.«
    »Wirklich merkwürdig.«
    »Dass ich keine Chinos getragen habe?«
    »Nein, dass ich mich nicht daran erinnern kann.«
    »Wenn ich keine Chinos getragen habe, können Sie sich

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