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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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seine Eingeweide. Deshalb spannte ich den Schließmuskel an, damit gegebenenfalls meine Leiche mir keine Schande machte. Ich bin zwar bereit zu sterben, wenn es sein muss, aber ich habe etwas dagegen, danach einen unappetitlichen Anblick abzugeben.
    Gute Zäune machen gute Nachbarn, und diese Nachbarn waren sich offenbar so grün, dass sie es nicht nötig fanden, ihren Zaun mit Stacheldraht zu garnieren. Unbeschadet erklomm ich die Oberkante, ließ mich in den nächsten Garten fallen, sprang auf und rannte los … in der Erwartung, gleich von einer gespannten Wäscheleine stranguliert zu werden.
    Ich hörte etwas keuchen, blickte nach unten und sah neben mir einen Hund herlaufen - einen Golden Retriever, der mich mit flatternden Ohren und heraushängender Zunge angrinste. Offenbar war er ganz begeistert vom unerwarteten Eintreffen eines Spielgefährten.
    Weil ein Hund wohl nicht achtlos in einen Zaun, eine Hauswand oder einen Baumstamm gerannt wäre, lief ich nun schneller durch den dichten Nebel, den Blick auf meinen Begleiter gerichtet, um seine Körpersprache zu beobachten. Sobald er sich nach rechts oder links wandte, tat ich sofort dasselbe.
Dabei fiel mir freilich ein, es könnte sich um einen Hund mit Sinn für Humor handeln, der absichtlich ganz knapp an einem Baum vorbeistrich und mich listig auflaufen ließ.
    Hunde können lachen, wie jeder echte Hundeliebhaber weiß. Bei meinem blinden Lauf machte ich mir jedoch Mut mit der Tatsache, dass der hündische Humor keine grausame Färbung hat. Hunde lachen über menschliche Torheiten, aber sie fordern sie nicht heraus.
    Zu meiner Überraschung kam mir mitten in der Bewegung plötzlich das Gespräch in den Sinn, das ich mit Annamaria im Park am Hekate-Canyon geführt hatte. Es war dar um gegangen, wieso ich ihr alles glaubte, was sie sagte, obwohl ich das meiste nicht verstand:
    Wieso glaubst du mir denn so anstandslos?
    Das weiß ich auch nicht.
    Doch, das weißt du.
    Hilf mir mal auf die Sprünge. Wieso glaube ich dir so anstandslos?
    Wieso glaubt man denn überhaupt etwas?
    Nun begriff ich. Ich rannte kopfüber neben diesem Hund durch das neblige Dunkel, weil ich auf die Gutartigkeit und die Instinkte von Hunden vertraute. Vertrauen. Auch Annamaria vertraute ich, weshalb ich ihr alles glaubte, so undurchschaubar und ausweichend mir ihre Worte manchmal auch vorkamen.
    Eigentlich aber konnte Vertrauen doch nicht die Lösung sein. Wenn das der Grund war, weshalb ich ihr glaubte, dann stellte sich sogleich eine Folgefrage: Weshalb vertraute ich ihr überhaupt, wo sie doch praktisch eine Fremde für mich war und sich absichtlich ein bisschen apokryph und mysteriös auszudrücken schien.

    Auch der Hund hatte so viel Spaß bei der Sache, dass ich mich fragte, ob er mich womöglich im Kreis ums Haus herumführte. Mein Vertrauen erwies sich jedoch als berechtigt, denn wir kamen bald zu einem Tor im Zaun.
    Ich versuchte, meinen Begleiter daran zu hindern, den Garten zu verlassen, doch dazu war er zu wendig. In Freiheit gelangt, rannte er nicht in die Nacht davon, sondern wartete darauf, welches spaßige Spiel ich als Nächstes mit ihm anstellte.
    Hinter uns duellierten sich Lichtschwerter im Nebel und suchten mich. Der Hund und ich machten uns in die andere Richtung davon.

24
    Der Nebel durchdrang die ganze Welt und löste alles auf, was Mensch und Natur geschaffen hatten.
    Vage ragten die Formen von Gebäuden auf. Geometrische Zaunreihen trennten nichts von nichts, bis ihre starren Linien an beiden Enden im Dunst verschwanden.
    Teile von Bäumen schwebten in und außer Sicht wie Treibholz auf einer weißen Flut. Graues Gras wuchs auf Hängen, die dem Blick entglitten, als wären sie Aschehügel, zu substanzlos, um ihre Konturen zu behalten.
    Eine Weile rannten der Hund und ich dahin, wobei wir mehrfach die Richtung änderten, und dann gingen wir langsamer aus dem Nichts und ins Nirgendwo, durch einen Schleier in den nächsten.
    Irgendwann kam ich darauf, dass das Wetter mehr als eine gewöhnliche Naturerscheinung war. Die Stille, der Nebel und die Kühle waren nicht nur die Folgen eines meteorologischen Systems. Es begann als Ahnung und verdichtete sich bald zur Gewissheit, dass der Zustand von Magic Beach in dieser Nacht eine Vorankündigung war, ein symbolischer Hinweis auf Dinge, die kommen würden.
    Wir gingen durch eine Traumlandschaft, in der dichte Rauchschwaden von lange erloschenen Feuern trieben, geruchlose Dämpfe in einer von jedem Gestank und Duft

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