Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
gereinigten Welt.
Die Luft kam zur Ruhe, weil der Wind verstummt war und sich nie wieder erheben würde. Dieses Schweigen sprach von einem Planeten aus festem Stein, dessen Kern erkaltet war, auf dem keine Flüsse strömten und kein Meer mehr wogte, und wo keine Uhren existierten, weil es keine Zeit mehr zu zählen gab.
Als der Hund und ich innehielten und ganz still dastanden, ließ sich das weiße Nichts, von unseren Bewegungen nicht mehr aufgewirbelt, um uns herum nieder. Unter meinen Füßen und den Hundepfoten begann der Boden zu verschwinden.
Ein solches Entsetzen ergriff mich, dass ich vor Erleichterung laut die Luft ausstieß, als der Hund plötzlich mit dem Schwanz wedelte, die bleiche Leere beiseitewischte und das Straßenpflaster sichtbar werden ließ.
Schon einen Moment später hatte ich jedoch das Gefühl, ins Tal des Todes eingetreten und von dort sogleich an einen noch weiter entfernten Ort gelangt zu sein - in eine derart vollkommene Leere, dass sie kein Atom der früher existierenden Welt mehr enthielt, ja nicht einmal mehr eine Erinnerung an die Natur und die Dinge des Menschen. Es war ein Ort, dem es zu sehr an Substanz mangelte, um ein Ort zu sein, und der eher als ein Zustand zu bezeichnen war. Hier gab es keine Hoffnung auf die Vergangenheit oder eine Zukunft, keine Hoffnung auf die Welt, die gewesen war, oder auf jene, die hätte sein können.
Es war nicht so, dass ich eine Vorahnung hatte ; ich ging durch eine Nacht, die zur Vorahnung geworden war . Schwarz ist die Kombination aller Farben, und Weiß ist die Abwesenheit jeglicher Farbe. Der Nebel kündigte den Zustand des Nichtseins an, ein Vakuum innerhalb eines Vakuums, das Ende der Geschichte nach der endgültigen Vernichtung.
So viel Tod war im Anzug, dass dies das Ende des Todes sein würde, eine absolute Zerstörung, der nichts entgehen würde, was später noch zerstört werden konnte. Das Entsetzen, das die Bewegung des Hundes weggewischt hatte, kehrte in mich zurück, um sich nicht mehr vertreiben zu lassen.
Eine Weile nahm ich nicht wahr, wie ich aus dem Nichts ins Nichts ging, denn ich hatte das Gefühl, mich am Grund eines tiefen Brunnens zu befinden. Unwillkürlich versuchte ich zu schreien, doch wie die zögerlichen Toten, die mich lautlos um Hilfe anflehten, war ich nicht in der Lage, auch nur einen Ton hervorzubringen.
Ich konnte nur schweigend beten, und ich bat darum, irgendwohin geführt zu werden, wo es Formen und Farben, Gerüche und Geräusche gab, an einen Ort, wohin ich mich vor diesem schrecklichen Nichts flüchten konnte, um mein Entsetzen zurückzudrängen und eine Weile nachzudenken .
Wie ein sich seines Traums bewusster Träumer sah ich die Umrisse eines Gebäudes aus der formlosen Umgebung auftauchen. Dann spürte ich, dass ich eine Treppe bestieg, ohne die Stufen zu erkennen.
Ich fand den Griff einer schweren Tür und zog diese weit auf, doch selbst nachdem ich - den Hund noch immer neben mir - über die Schwelle in Schatten und Licht getreten war und den unheimlichen Nebel ausgesperrt hatte, erkannte ich nicht sofort, an welchen Zufluchtsort ich durch die Vorsehung oder das Tier geführt worden war.
Nach dem Gang durch die weiße Leere, die alle Sinne erstickt hatte, war der Duft von Möbelpolitur und Kerzenwachs so stark, dass er mir Tränen in die Augen trieb.
Erst als ich durch einen niedrigen, holzgetäfelten Vorraum in eine wesentlich größere und etwas hellere Halle gelangt war, wurde mir bewusst, dass ich mich in einer Kirche befand.
Neben mir keuchte der Hund vor Durst, vor Aufregung oder vor beidem.
Die Seitenschiffe waren matt erleuchtet, während der Mittelgang, durch den ich auf den Altar zuging, im Dunkeln lag.
Eigentlich hatte ich mich auf die erste Bank setzen wollen, bis meine gespannten Nerven sich beruhigten, aber ich hockte mich erst einmal auf den Boden, weil der Hund gestreichelt werden musste. Er hatte sich alle Zuneigung verdient, die ich ihm in meinem zerstreuten Zustand geben konnte.
Aus der Welt, die uns geschenkt wurde, hat die Menschheit etwas ganz anderes gemacht, und wenn ich darunter leide, dann tröste ich mich mit der Absurdität dessen, was entstanden ist.
Die ursprüngliche Welt ist voller Wunder, Poesie und Sinn. Die vom Menschen geschaffene Welt hingegen ist ein perverses Reich aus Eigennutz und Neid, in dem machthungrige Zyniker sich zu falschen Idolen aufschwingen. Beklatscht werden sie von Leuten, die sich ihnen ausliefern, obwohl von solchen Idolen
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