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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Versager aus Hoboken, New Jersey.«
    Er drehte sich wieder zu mir um.
    Das fleckige Gesicht, der eiskalte Blick, die schmalen Lippen über den zusammengebissenen Zähnen, der gesenkte Kopf, als wäre er ein Stier, dem man mit gleich hundert roten Tüchern vor dem Schädel herumwedelte - ich hatte noch keinen auf der Erde verweilenden Geist gesehen, der derart stocksauer war.
    Die Stahltür ging auf.
    Chief Hoss Shackett kam herein, gefolgt von Rolf Utgard. Letzterer schob einen kleinen Wagen vor sich her, auf den der Polygraph montiert war.

28
    Als ich in meinem Zimmer bei Hutch erlebt hatte, wie Mr. Sinatra alle Biografien über ihn langsam im Zimmer kreisen ließ, ohne dass ich sie ergreifen konnte, da war mir klargeworden, dass er das Potenzial zum Poltergeist besaß.
    Meiner Erfahrung nach waren eigentlich nur äußerst böswillige Geister in der Lage, genügend dunkle Energie heraufzubeschwören, um Schaden anzurichten. Mr. Sinatra hatte zwar seine Launen, war jedoch nicht richtig boshaft.
    Wenn man sich seinen Lebenslauf ansah, handelte es sich allerdings um einen äußerst energischen Geist, der womöglich in der Lage war, die mir bekannten Regeln über den Haufen zu werfen.
    Am sichersten konnte man ihn auf die Palme bringen, indem man unfair zu ihm war, das hatte ich geahnt. Schon als völlig unbekannter Sänger hatte er, zornig über den damals herrschenden Rassismus, seine Karriere aufs Spiel gesetzt, um schwarzen Musikern die nötige Anerkennung zu verschaffen. Das war zu einer Zeit gewesen, als viele seiner weißen Kollegen durchaus zufrieden mit dem Status quo waren.
    Die Art und Weise, wie ich ihn angegriffen und als feigen Versager bezeichnet hatte, war äußerst unfair. Ich hoffte, dass er dadurch genauso zornig wurde wie früher, als er sich gegen die unfaire Behandlung anderer gewehrt hatte.

    Nebenbei hoffte ich allerdings auch, ihn vorläufig noch nicht so sehr gereizt zu haben, dass er wie ein Vulkan explodierte, während ich noch an den Tisch gekettet war.
    Als Rolf Utgard die Stahltür schloss und seinen Wagen herbeirollte, wandte sich Mr. Sinatra von mir ab und starrte den Koloss mit Kinnbart an.
    »Ich habe mit dem zuständigen Mann gesprochen«, sagte Chief Shackett. »Das Geld gehört dir, falls das Gerät bestätigt, dass du nicht gelogen hast.«
    Angekettet zu sein, hätte meinen Stresslevel erhöht und dadurch das Testergebnis beeinflusst. Deshalb hielt der Chief sein Versprechen, mich zu befreien, und löste die Schelle um meinen Knöchel.
    Während der Muskelberg sich an dem Polygraphen zu schaffen machte und der Chief auf die gegenüberliegende Seite des Tischs trat, fragte ich: »Was haltet ihr eigentlich von Sinatra?«
    »Von wem?«, fragte der Chief.
    Ich stand auf. »Sinatra, der Sänger.«
    »Wieso interessiert dich denn, was wir von dem halten, hä?«, knurrte Utgard. Der Tonfall seiner tiefen Stimme ließ erkennen, dass er mich nicht mochte, mir nicht über den Weg traute und mich eigentlich nicht als Partner akzeptieren wollte, egal, wie viel streng geheime Geheimdienstinformationen ich mitzuteilen hatte.
    »Sinatra«, sagte der Chief abschätzig. »Den Scheiß hört sich doch heute keiner mehr an.«
    Als der seit seinem Tod stimmlose Sänger das hörte, fuhr er herum und starrte den Chief wütend an.
    »Ich hatte mal eine Freundin«, sagte ich, »die hat für Sinatra geschwärmt, aber meiner Meinung nach war der bloß ein jämmerliches Weichei.«

    »Das sind sie doch alle«, meinte der Chief. »Alles Schwuchteln, diese Typen.«
    »Meinst du?«, fragte ich.
    »Klar. Die großen Rockstars, diese Heavy-Metal-Idioten, die Schnulzensänger wie Sinatra, die markieren alle den harten Mann, um sich bei ihren Fans einzuschleimen, aber in Wirklichkeit sind das alles warme Brüder.«
    Da servierte der Chief Verachtung, Intoleranz und Beleidigung auf dem Silbertablett. Ich war so dankbar dafür, dass ich fast in Tränen ausgebrochen wäre.
    »Im Zweiten Weltkrieg«, sagte ich zu Shackett, »hat Sinatra es mit einem Trick geschafft, nicht eingezogen zu werden.«
    Mr. Sinatras Kopf drehte sich so blitzartig zu mir um, dass er sich den Hals gebrochen hätte, wäre er noch am Leben gewesen. Er wusste, dass ich die Wahrheit kannte, was meine Schmähung seines Charakters besonders unfair machte. Sein Gesicht verzerrte sich so extrem, dass sich darin gleichzeitig Verblüffung und Zorn ausdrückten.
    »Das wundert mich gar nicht«, sagte der Chief. »Was hätte der wohl getan, wenn er vor

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