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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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ihm die Handschellen abnahm?
    Wenn ich Elisabeta nicht selbst finden konnte, würde sie genauso enden wie Doug Beeman.
    Und die Chancen standen nicht schlecht, dass ich ihr Schicksal teilen würde.
     
    Ich sprang über den Gartenzaun hinterm Haus, setzte einen Fuß auf das Dach des Gewächshauses, dann kletterte ich hinunter auf den umgedrehten Terrakotta-Blumentopf und schließlich auf den weichen Boden. Wie der Sprung des flüchtenden Eindringlings, als ich ihm nachsetzte, nur rückwärts abgespielt. Ich hatte mein Auto in der Straße hinter unserem Haus geparkt, damit ich unbehelligt von den Medien unser Haus betreten und verlassen konnte. Da ich den Schlüssel für die Hintertür nicht dabeihatte, ging ich zur Garage. Ich riss die Seitentür auf und wäre beinahe mit einem Mann zusammengestoßen, der neben den Abfalleimern kauerte. Wir stießen beide einen gellenden Schrei aus. Als er davonrannte, strauchelte er kurz, und erst in dem Moment entdeckte ich die Kamera, die er um den Hals hängen hatte.
    Ich lehnte mich an die Hauswand und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Es dämmerte bereits.
    Ariana saß im Schneidersitz auf einem Fleckchen Küchenboden, das sie schon frei geräumt hatte, und war umgeben von einem Halbkreis aus Notizzetteln. Wir umarmten uns und verharrten eine geraume Weile so. Mein Gesicht lag auf ihrem Scheitel, und sie umfasste meinen Rücken immer und immer wieder, als wollte sie sich vergewissern, dass ich wirklich da war. Ich atmete ihren Duft ein und dachte mir, sechs Wochen lang hätte ich das jederzeit tun können, und sechs Wochen lang habe ich es kein einziges Mal getan.
    Ich folgte ihr zu ihrem provisorischen Arbeitsplatz – sie war fast immer am produktivsten, wenn sie sich auf dem Boden ausbreiten konnte –, und wir setzten uns. Die allgegenwärtige Marlboro-Schachtel lag neben ihrem Laptop, und ein dickes LAN -Kabel führte zu dem Modem, das sie in die Küche heruntergeholt hatte – die drahtlose Internetverbindung funktionierte natürlich nicht mit dem Störsender. Sie klickte sich durch mehrere E-Mails. »Ich hab den ganzen Tag mit Anwälten telefoniert«, erzählte sie. »Weiterempfehlungen und weiterempfohlene Weiterempfehlungen.«
    »Und?«
    »Dann hat man mir noch ein paar Empfehlungen gegeben. Okay, ich hör schon auf. Es läuft jedenfalls darauf hinaus, dass wir im Falle einer Verhaftung mindestens hunderttausend Dollar für den Vorschuss brauchen, wenn wir jemanden anheuern wollen, der sein Geld überhaupt wert ist. Wenn man den Gerüchten glauben darf – das haben mir die meisten nur zu gern mitgeteilt –, ist deine Verhaftung auch nur noch eine Frage der Zeit.« Sie beobachtete mich, während ich versuchte, diese Neuigkeit zu verdauen, und ihr Gesicht spiegelte meine Gefühle. »Ich hab dann auch noch mit der Bank telefoniert«, fuhr sie fort, »und wir können eine weitere Hypothek aufs Haus aufnehmen, was bei unserem Einkommen …«
    »Ich bin gefeuert worden«, unterbrach ich sie leise.
    Sie blinzelte einmal, zweimal.
    »Ich weiß nicht, was ich noch anderes tun könnte, als mich laufend bei dir zu entschuldigen«, sagte ich.
    Ich machte mich schon auf ihre Wut gefasst, aber sie meinte nur: »Vielleicht kann ich meinen Geschäftsanteil verkaufen. In letzter Zeit waren öfters mal Leute da, die wegen eines Kaufs vorgefühlt haben.«
    Ich war genauso sprachlos wie erniedrigt. »Das will ich nicht.«
    »Dann werden wir wohl das Haus verkaufen müssen.«
    Als wir damals unsere erste Anzahlung gemacht hatten, fuhren Ariana und ich immer hierher und parkten auf der anderen Straßenseite, um das Haus zu betrachten. Bei diesen Ausflügen hatten wir das vage Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, als würde man sich als Teenager nachts zum Haus der Angebeteten schleichen und sich unter ihrem Fenster herumdrücken. Als wir eingezogen waren – Ari hatte die Gestaltung unseres neuen Heims übernommen, ich das Kistenschleppen, und wir beide hatten so einiges an Schweiß dabei vergossen –, hatten wir das Haus Stück für Stück hergerichtet. Wir hatten die Decken mit dem unregelmäßigen Putz geglättet, hatten die Messingscharniere gegen gebürstetes Nickel ausgetauscht und rostfarbenen Teppich durch Schieferfliesen ersetzt. Ich beobachtete, wie ihr Blick über unsere Wände glitt, über unsere Bilder, Arbeitsplatten und Schränke, und ich wusste, dass sie gerade dasselbe dachte wie ich.
    »Nein«, erklärte sie, »ich werde dieses Haus auf keinen Fall verkaufen.

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