Oder sie stirbt
Morgen gehe ich noch mal zur Bank und schaue, was ich auf die Beine stellen kann. Vielleicht kann ich ja auch einen Kredit auf mein Geschäft aufnehmen. Ich … ich weiß nicht.«
Einen Moment war ich zu gerührt, um antworten zu können. »Ich möchte nicht, dass du …« Ich hielt inne und formulierte den Satz noch einmal neu: »Meinst
du,
dass es sicher ist, wenn du zur Arbeit gehst?«
»Wer weiß, was überhaupt noch sicher ist. Und wenn du durch die Gegend läufst und rumschnüffelst, bist du garantiert auch nicht sicher. Aber wir haben jetzt leider keine Optionen mehr.«
»Du schon«, erwiderte ich.
Ihre Lippen öffneten sich ganz leicht.
»Das ist ein absoluter Alptraum hier«, sagte ich. »Und ab jetzt wird es immer nur noch schlimmer. Mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken, dass du gezwungen bist … Vielleicht sollten wir uns überlegen, ob du dich nicht einfach ins Flugzeug setzt und …«
»Du bist mein
Mann.
«
»Was diese Funktion angeht, hab ich mich in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert.«
Sie war empört. »Wenn du schon damit anfangen willst – ich war ja wohl auch eine Scheißehefrau in der einen oder anderen Hinsicht. Aber entweder bedeutet unser Ehegelübde etwas oder eben nicht. Wir müssen aufwachen, Patrick. Alle beide.«
Ich griff nach ihrer Hand. Sie drückte sie ungeduldig und ließ gleich wieder los. »Egal, wie viele Jahre ich dafür brauche, aber ich werde einen Weg finden, es wiedergutzumachen«, versprach ich.
Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Konzentrieren wir uns lieber darauf, dass wir diese Jahre überhaupt noch gemeinsam erleben dürfen.« Sie schob sich die Haare von den Augen, dann sah sie auf die Zettel rundherum, als müsste sie sich in Details flüchten. »Julianne hat angerufen. Sie hat gesagt, sie hätte Nachforschungen zu den Namen angestellt, die du ihr gegeben hast, hätte aber leider noch nichts rausfinden können. Ich glaube, in puncto
Ins kalte Wasser
gibt es momentan überhaupt keinen Informationsfluss mehr, entsprechend auch keine Neuigkeiten über Trista Koan. Und Julianne hatte auch nicht mehr Glück als Detective Valentine bei ihrer Suche nach Elisabeta – oder Deborah Vance oder wie sie jetzt auch heißt. Es tat Julianne furchtbar leid, sie will dir unbedingt helfen. Warst du eigentlich bei diesem Haus in Indio?«
Ich erzählte ihr, was ich bei meinem Ausflug herausgefunden hatte – oder eben nicht. »Wahnsinn, auf wie viele Details diese Frau geachtet hat. Der Akzent, die Bananenschalen … ihre schauspielerische Leistung war wirklich großartig.«
»Wo findet man Leute, die solche Rollen spielen können? Ich meine … wie würde man so ein Talent überhaupt suchen? Ganz zu schweigen davon, dass der Schauspieler dann auch noch bereit sein muss, bei so einem Betrug mitzumachen.« Wie immer dachte sie in denselben Bahnen wie ich.
»Genau.
Genau.
Dazu braucht man einen Agenten. Einen schmierigen Agenten, der bereit ist, seine Kunden für so etwas herzugeben.«
»Würde ein Agent denn so was tun?«, fragte sie.
»Keiner, von dem ich je gehört habe. Ich denke, wenn man erst mal einen ausfindig gemacht hat, der sich auf so einen Deal einlässt, dann hält man sich weiter an den.«
Sie begriff sofort. »Doug Beemans Agent«, sagte sie. »Du hast doch von der Nachricht auf Beemans Handy erzählt, wo ihn sein Agent gefragt hat, warum er nicht am Set für den Rasierschaum-Werbespot erschienen ist.«
»Deo«, korrigierte ich. »Aber du hast recht. Roman LaRusso hieß der.«
Sie tippte den Namen bereits in den Laptop. »Und wie hieß Doug Beeman wirklich?«
»Mikey Peralta.«
Sie gab den Namen ebenfalls ein. Die Suchmaschine spuckte mehrere Ergebnisse aus. Darunter war auch eine Website: Die LaRusso Agency, mit Geschäftsräumen in einem durchschnittlichen Viertel, das als »in direkter Nähe zu Beverly Hills« angepriesen wurde. Eine Reihe von Porträtfotos diverser Kunden wechselte ständig wie in einem Spielautomaten und präsentierte neue Gesichter.
Wie es aussah, war LaRusso die Agentur für Charakterschauspieler. Tonnenförmiger Italiener mit zerknautschter Zigarre zwischen den Wurstfingern. Finster dreinblickende Schwarze, deren rote Klauen sich scharf von einem gelben Kleid mit Hawaiimuster abhoben. Mikey Peralta mit seinem sparsamen Grinsen. Mit angehaltenem Atem beobachteten wir, wie die kleinen Fotos immer weiter durchwechselten. So viele Wangenknochen, so viele Grübchen, so viele Versprechen. Die ganze
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