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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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noch als Elisabetas Haus betrachtete.
    Die Leere war bestürzend. Die meisten Möbel waren entfernt worden. Keine Schüssel mit Cashewkernen, keine Bananenschalen, keine Porzellankatzen und Rattan-Regale. Der Wohnzimmertisch war seitlich gekippt. Als ich vor kurzem hier gewesen war, hatte ich die völlig staubfreien Möbel mit Elisabetas stiller Würde in Verbindung gebracht. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass es so sauber war, weil die Wohnung gerade erst vermietet worden war. Noch so eine irrige Annahme, zu der sie mich verleitet hatten.
    Sie hatten mich hinters Licht geführt wie einen Bauerntölpel in einer Billardhalle in Chicago.
    Mit brennendem Gesicht ging ich in die Hocke und stützte die Fingerspitzen auf den fadenscheinigen Teppich, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ich fühlte mich nicht einfach blamiert, sondern durch und durch beschämt. Beschämt darüber, wie durchschaubar ich war, wie durch und durch gewöhnlich meine Hoffnungen und Bedürfnisse diesen Spielern vorkommen mussten. Und als wie gewöhnlich ich mich auch herausgestellt hatte.
    In ihrer ganzen noblen Empörung war Elisabeta über diesen Boden zum Zimmer ihrer Enkelin gegangen. Ich hatte sie geradezu vor Augen – das ernste Gesicht angespannt vor Kummer, die Hand auf der Klinke der geschlossenen Tür.
Kommen Sie, sehen Sie dieses schöne Kind. Ich wecke sie. Kommen Sie sehen, und sagen Sie, wie ich ihr erkläre, dass das ihre Geschichte ist.
    Und ich hatte brav den betroffenen Trottel gespielt:
Nein, bitte. Stören Sie sie bitte nicht. Lassen Sie sie schlafen.
    Ich vollzog ihre Schritte nach und öffnete die Tür.
    Eine Abstellkammer mit Garderobenstange.
    Zwei Drahtkleiderbügel und ein Abfalleimer, in dem Elisabetas Schneekugeln gelandet waren. Sie waren angeknackst und verloren Flüssigkeit. Auf ihrer Unterseite klebten immer noch die Preisschilder. Alles Requisiten. Darunter lag das Foto des kleinen Schulmädchens mit dem krausen braunen Haar. Das Glas hatte einen Sprung bekommen. Ich nahm das Bild heraus und wischte die kleinen Glasscherben ab. Das Papier war dünn und ließ sich problemlos herauslösen. Es war gar kein Foto, sondern eine Farbkopie.
    Das Bild war schon beim Kauf im Rahmen gewesen.
    Die Kälte kroch mir langsam über die Kopfhaut in den Nacken. Ich ließ den Rahmen wieder in den Müll fallen.
    Als ich wieder ins Freie trat, wirbelte der Wind Staubwolken auf und drückte mir die Hosenbeine gegen die Schienbeine. Nach kurzem Suchen an der Vorderfront des Hauses fand ich, wonach ich gesucht hatte: ein Loch in einem Blumenbeet, in dem das » ZU VERMIETEN «-Schild gesteckt hatte. Langsam fuhr ich noch einmal den Wendehammer ab und rief nacheinander die Nummern der Immobilienmakler auf sämtlichen Werbeschildern an, bis ich die Dame gefunden hatte, die Elisabetas Haus vermietet hatte. Als ich ihr sagte, dass ich mich für das Objekt interessierte, mich aber doch über das Absperrband der Polizei gewundert hätte, versicherte sie eifrig, was sie schon den Polizisten erzählt hatte – und offensichtlich auch jedem anderen Menschen, der es hören wollte: Das Haus war für einen Monat gemietet worden, das Geld kam per Überweisung, und der ganze Vorgang war per Mail abgewickelt worden. Sie hatte nie eine Menschenseele zu Gesicht bekommen, und es hatte sich auch keiner die Mühe gemacht, die Kaution wieder zurückzuholen. Selbstverständlich hätte sie
niemals
gedacht, dass …
    Durch kein Indiz ließ sich dieses Haus mit mir in Verbindung bringen, nur durch meine Aussage und meine Erinnerung, und die standen im Moment nicht besonders hoch im Kurs.
    Elisabeta war meine einzige lebende Verbindung zu den Männern, die Keith getötet und mich als Täter hingestellt hatten. Nur sie konnte meine Geschichte bestätigen, oder zumindest den Kern, und damit wäre schon viel gewonnen bei dem Unterfangen, meinen Namen wieder reinzuwaschen. Außerdem schwebte sie selbst in großer Gefahr. Valentine hatte sie nicht ausfindig machen können, und ich bezweifelte, dass das Morddezernat sich bei dem Versuch überschlug, es besser zu machen.
    Ich dachte an das Gefängnis, an die Filme, die ich gesehen, und die Horrorstorys, die ich gehört hatte. Und an den tätowierten Häftling, an dem ich im Flur des Parker Center vorbeigegangen war, wie seine Muskeln fast die Metallketten sprengten und wie ich zurückgezuckt war, ein kleiner Kiesel vor einem Riesenbrecher. Was konnte so ein Mann mit jemandem wie mir anstellen, wenn man

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