Oder sie stirbt
dass Sie unterrichten.«
Ich senkte den Blick und merkte, wie mir die Wärme ins Gesicht stieg. Da mir auf die Schnelle nicht die richtigen Worte einfallen wollten, sagte ich einfach: »Danke, Diondre. Ich bin auch froh.«
Er nickte kurz und verschwand.
Ich ging die Treppen hoch und durch die Flure, und aus dem Geflüster hinter meinem Rücken konnte ich deutlich meinen Namen heraushören.
Die Assistentin von Dr. Peterson hatte die Hände auf ihrem leeren Schreibtisch gefaltet. »Sie erwartet Sie.«
Als ich eintrat, blickte Dr. Peterson von ihren Papieren auf. »Patrick. Bitte, setz dich doch.«
Ich nahm Platz und zwang mich zu einem schwachen Grinsen, das sich aber hart und verkrampft auf meinem Gesicht anfühlte.
»Die Fakultät ist mit Presseanfragen überschwemmt worden. Ein Riesenspektakel.«
Ich wartete mit steigender Angst.
»Uns haben schon diverse Beschwerden erreicht, bevor diese unseligen Ereignisse, also diese …«
»Keith Conners Ermordung«, half ich.
Sie errötete. »Es geht nicht nur um ausgefallene Stunden. Soviel ich weiß, hast du auch die Korrekturen ihrer Arbeiten übermäßig verschleppt.« Sie deutete mit einem Kopfnicken auf die Aktentasche, die auf meinen Knien stand, weithin sichtbares Symbol meiner Inkompetenz. »Sind die inzwischen wenigstens fertig?«
»Nein«, antwortete ich. »Aber ich … ich hätte gern eine Chance, meine Versäumnisse wiedergutzumachen.«
Sie wollte etwas sagen, doch ich hob die Hand. »Bitte«, sagte ich. »Es tut mir leid, dass das Ganze solche Auswirkungen für die Fakultät hat, aber die bloße Tatsache, dass ich unter Verdacht stehe, heißt noch nicht … Ich weiß nicht, wie lang die Ermittlungen dauern werden. Vielleicht Monate. Aber das Leben muss weitergehen, auch wenn …« Ich wurde immer kleiner. Der Tonfall meiner Stimme war mir selbst zuwider, aber ich konnte nicht aufhören. »Unsere finanzielle Situation – ich muss wirklich Geld verdienen. Ich weiß, dass ich eine gewisse Schadensbegrenzung …«
Gnädigerweise schnitt sie meine hilflose Suada ab. »Schadensbegrenzung? Ich glaube nicht, dass du dir ansatzweise vorstellen kannst, was für eine massive Störung des Lehrbetriebs das gewesen ist.«
»Ich werde doppelt so viel arbeiten. Und ich werde kein einziges Mal mehr den Unterricht ausfallen lassen.«
»Was glaubst du eigentlich? Dass du dich gegen eine Mordanklage verteidigen kannst und gleichzeitig deine Anwesenheitsquote verbessern?«
Ich wusste nicht, was ich geglaubt hatte. In Anbetracht der Dinge, die in nächster Zukunft auf mich zukamen, war ich sicherlich naiv gewesen. Mit sinkender Hoffnung schlug ich vor: »Vielleicht könnte ich mich ja beurlauben lassen.«
»Komisch, irgendwie sieht es so aus, als hättest du das die ganze Zeit schon getan.« Sie ordnete die Papiere auf ihrem Schreibtisch und machte sich eine hastige Notiz. »Wir haben den Eindruck, dass die Situation so nicht haltbar ist.«
Ich sah die Arbeiten der Studenten in meiner leicht offenstehenden Aktentasche. Zwei Wochen hatte ich sie warten lassen. Manche von ihnen, wie Diondre, konnten sich kaum das Schulgeld leisten, und ich war die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen, mich gegen eine Bedrohung nach der anderen zu verteidigen. Ich holte tief Luft und bemühte mich, mich zusammenzureißen.
»Wir haben alles dokumentiert. Es ist schon alles unter Dach und Fach. Ich hoffe, du erwägst keine …«
Ich konnte kaum die Energie aufbringen, hochzusehen. »Keine was?«
»Keine rechtlichen Schritte?«
»Nein. Oh nein. Natürlich nicht. Ihr habt auf mich gesetzt, und ich hab’s vergeigt.« Ich stand auf und streckte ihr über den Tisch die Hand hin. Sie hievte sich ein paar Zentimeter aus ihrem Stuhl und legte ihre kühle Hand in meine. »Danke für die Chance«, sagte ich.
Sie tat ihr Bestes, um ihre Erleichterung zu verbergen. »Tut mir leid, dass du im Moment so viel Ärger hast, Patrick. Wirklich. Und es tut mir leid, dass ich hier so hart durchgreife, während du gerade damit beschäftigt bist, dich …«
Ich legte ihr die Seminararbeiten auf den Tisch und klopfte leicht mit den Knöcheln darauf. »Sucht einen guten Dozenten für meine Studenten.«
Im Hinausgehen überkam mich eine tiefe Traurigkeit. Zu spät hatte ich begriffen, wie sehr ich meinen Job liebte. Aber das war noch nicht mal mein schlimmster Kummer. Viel schlimmer war, dass ich mir zu selten die Zeit genommen hatte, meine Arbeit bewusst zu genießen und zu schätzen wie so
Weitere Kostenlose Bücher