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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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stehen. Doch ich registrierte die quietschenden Reifen gar nicht, ich merkte nicht, wie sich die Zaunpfähle in meinen Bauch bohrten, als ich mich hinüberhangelte, ich roch die Erde unter unserem Sumach nicht. Vor lauter Trauer war ich völlig unfähig, noch irgendwelche äußerlichen Reize aufzunehmen. Vor meinem inneren Auge sah ich nur tausend Bilder von ihr und sonst überhaupt nichts.
    Es ist schon seltsam, was einem so im Gedächtnis bleibt. Ariana, wie sie auf dem Küchenboden sitzt und in einem Unterschrank kramt, während eine Packung Eier auf der Arbeitsplatte steht. Wie sie von einer abendlichen Joggingrunde zurückkommt, im Sport- BH und mit schweißglänzender Stirn, sich mit vier Töpfen auf dem Schoß auf den Küchenboden setzt und auch noch die restlichen aus dem Schrank zieht. Wie ihre Ferse durch ein Loch in der Socke durchblitzt und sie sich in gespielter Verlegenheit auf die Lippe beißt, als hätte ich sie bei irgendetwas ertappt. Wie sich hinter ihrem Haarband manchmal eine dicke Strähne unregelmäßig zusammenschiebt, ich auf ihr »Was guckst du denn so?« nicht antworte und sie stattdessen nur ansehe. Die Leute reden immer von Erinnerungen wie einem Slow Fox zu einer Jukebox-Schnulze, einer heißen Liebesnacht und Diamanten mit Princess-Schliff. Aber manchmal denkt man eben auch nur an seine Frau, wie sie nach dem Laufen im Schneidersitz auf dem Boden hockt und die Omelette-Pfanne sucht.
    Benommen betrat ich unser Haus durch den Seiteneingang und ging mit dem Schlüsselbund in der Hand zur Vordertür. Die dunkle Limousine, die langsam in mein Blickfeld rollte, riss mich jäh in die Gegenwart zurück. Die Tüte mit den Dokumentenschnipseln fiel auf den Zementboden. Das konnte noch nicht die richtige Polizei sein – es kam mir unwahrscheinlich vor, dass sie Arianas Körper schon gefunden haben sollten. Das mussten DeWitt und Verrone sein, die zurückkamen, um meine Vernehmung nun ein bisschen zu forcieren.
    Der Fahrer lenkte den Wagen in die Dunkelheit hinter unserem Postkasten und stellte den Motor ab. Als Erstes traf mich die nackte Angst. Doch dann kam noch etwas anderes, das langsam durch meine Betäubung drang: Wut.
    Während ich auf das Auto zuging, schob ich die Hand unter mein T-Shirt und tastete nach dem Revolverkolben. Als ich ihn gerade ziehen und zielen wollte, ging die Tür auf, und dank der Innenbeleuchtung erkannte ich Detective Gable. Ich blieb abrupt stehen.
    »Sie haben im Moment nur eine Aufgabe«, sagte er, während er ausstieg. »Nämlich für uns erreichbar zu bleiben. Wo zum Teufel sind Sie die ganze Zeit …«
    Inzwischen war er so nahe an mich herangekommen, dass er mein Gesicht sehen konnte.
    Sollte ich davonrennen? Doch mein Wille war verflogen. Ich war so fertig, dass meine Knie fast unter mir nachgaben. Mein T-Shirt war immer noch leicht hochgeschoben, und ich zog schwach am Saum und versuchte, es über der Waffe glatt zu streichen.
    »Um Gottes willen, was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Sind Sie in meinem Arbeitszimmer gewesen, um eine CD zu stehlen? Wenn ja, dann ahnen Sie ja gar nicht, was Sie damit angerichtet haben.«
    »Ja, klar, ich bin ohne Durchsuchungsbefehl bei Ihnen eingedrungen und hab irgendeinen Quatsch mitgehen lassen, um meinen wichtigsten Fall zu gefährden.« Er bewahrte seine undurchdringliche Miene, aber ganz offensichtlich hatte ihn mein aggressiver Tonfall doch überrascht.
    »Sind Sie hier, um mich zu verhaften?«
    Er hörte den Ärger in meiner Stimme und schaltete auf stur. »Auffällig viele Leute, die mit Ihnen zu tun haben, müssen sterben.«
    »Verhaften Sie mich, wenn Sie es müssen, aber lassen Sie Ihre Scheißsprüche«, gab ich zurück. »Nicht jetzt. Nicht bei diesem Thema. Es gibt Grenzen, einfachen menschlichen Anstand.«
    »Ich hab die Leiche gesehen. Sieht nicht so aus, als hätten Sie bei ihr viel menschlichen Anstand walten lassen.« Er trat einen Schritt vor, aber ich schubste ihn schwungvoll gegen seinen Wagen. Seine Schulterblätter schlugen vernehmlich gegen die Tür, und als er sich wieder hochgerappelt hatte, hob er die Hand mit seiner Waffe. Sie war auf das Stück Asphalt zwischen uns gerichtet. So ruhig hatte ich ihn noch nie gesehen. »Passen Sie bloß auf.«
    »
Sagen Sie’s.
Sagen Sie es einfach. Sagen Sie mir ins Gesicht, ich hätte meine Frau umgebracht.«
    »Ihre Frau?« Er wirkte verblüfft. »Ich bin hier, weil Deborah Vance tot aufgefunden wurde.«
    Deborah Vance? Der Name schien aus einem anderen

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