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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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mir zu.
    Doch ich hielt Ariana fest – an den Hüften, an den Armen –, als müsste ich mich erst noch davon überzeugen, dass sie wirklich echt war. Sie legte besorgt eine Hand auf meine unverletzte Wange und musterte mich mit zunehmender Bestürzung. »Was ist denn mit dir passiert? Wer war das?«
    Gable war gereizt, weil wir ihn mittlerweile komplett ignorierten. »Glauben Sie, Sie könnten uns so verarschen? Und Ihre Spielchen mit dem Morddezernat spielen? Ich habe gesehen, was Sie dieser Frau angetan haben – Sie haben ihr eine Kugel in den Mund geschossen. Und wenn ich Ihren Arsch irgendwann zu meinen restlichen Trophäen stelle, dann werden wir schon sehen, was Ihnen Ihre gespielte Geistesschwäche noch nützt.« Er war schon auf dem Weg zu seinem Auto, als er sich noch einmal zornig auf dem Absatz umdrehte. »Wenn ich das nächste Mal wiederkomme, werde ich Ihnen nicht bloß Fragen stellen, verlassen Sie sich drauf.«
    Ari blickte mir unverwandt in die Augen, während sie auf den leuchtenden Knopf drückte, der das Garagentor wieder herunterfuhr. Detective Gable blieb stehen und beobachtete uns, bis ihn das Tor unseren Blicken entzog: erst die Augen, dann die Brust und zu guter Letzt seine makellosen Loafers.
     
    Die Türen waren verschlossen und verriegelt, die Alarmanlage eingeschaltet. Nach mehreren Runden Straßentheater waren die Paparazzi wieder taufrisch, schlürften Kaffee aus ihren Thermoskannen, patrouillierten rund um den Block und verglichen ihre Objektive. Der Hubschrauber eines Nachrichtensenders war zurückgekehrt und drehte erneut seine Kreise über unserem Dach, um den nächsten Zusammenbruch ja nicht zu verpassen. Auf der Arbeitsplatte in der Küche stand die Tüte mit den geschredderten Dokumenten, daneben die Festplatte, die ich aus dem Kopierer bei Ridgeline geholt hatte. Der Revolver lag griffbereit auf dem Wohnzimmertisch. Während Gable und das Morddezernat alles in Bewegung setzten, um genügend Beweise für eine Anklage zusammenzubekommen, mussten sie sich immerhin nicht die Mühe machen, mich beobachten zu lassen – den Job erledigte die Presse schon für sie. Die Männer von Ridgeline – DeWitt und Verrone und wer auch immer sonst noch dazugehören mochte – waren irgendwo dort draußen in der Nacht und schmiedeten neue Pläne. Unterdessen saßen Ari und ich uns auf dem Sofa mit ineinander verschränkten Beinen gegenüber.
    Ich fuhr ihr mit den Fingerspitzen über den Mund, den Hals, über jeden lebendigen Teil meiner Frau. Sie hielt meine Knöchel vor ihre zitternden Lippen, so dass ich ihren Atem spürte. Ich erfreute mich an ihrem Hautton, drückte ihr einen Finger auf die Haut und beobachtete fasziniert, wie sich beim Loslassen das Weiß wieder in Rosa verwandelte, als würde die Tatsache, dass Blut in ihr floss, meine Erinnerung an das grauenhafte Foto – ihr Gesicht mit dem fotoshop-grauen Teint auf den Zweigen – wieder auslöschen.
    Sie beugte sich vor und küsste mich leicht. »Weißt du noch, wie man Sex hat?«, flüsterte sie nervös. Ihr Mund war direkt vor meinem Ohr, ihr Haar strich mir über die lädierte Wange.
    »Glaub schon«, sagte ich. »Und du?«
    Sie machte sich von mir los und bewegte die Lippen, als wollte sie ausprobieren, wie ihr Mund sich anfühlte. »Ich weiß nicht.«
    Sie stand auf und ging die Treppe hinauf. Kurz darauf griff ich nach dem Revolver und folgte ihr.
     
    Wir begegneten uns in einer Abfolge von aufblitzenden Momentaufnahmen, wie in einem Schlafzimmermosaik. Die Decken, die sie ungeduldig mit dem Fuß beiseitegeschoben hatte. Die federleichte Berührung ihrer Hand. Ihr nasser, forschender Mund an meinem Schlüsselbein. Ich bestand darauf, jeden Fleck an ihr zu betrachten – das Muttermal an ihrer Hüfte, ihren Rist, das feine, blonde V in ihrem Nacken zwischen den schweren Locken.
    Danach, oder auch zwischendrin, lagen wir erschöpft und ineinander verschlungen da und verfolgten die Spuren der Schweißtropfen auf unserer Haut. Wir hatten einander seit Monaten nicht mehr nackt gesehen, so dass sich jetzt das tröstlich Vertraute mit dem Kick des Neuen mischte. Die Sehnen in ihrer Kniekehle waren fest und zerbrechlich zugleich an meinen Lippen. Der Revolver lag neben dem Störsender auf dem Nachttischchen, so deutlich sichtbar, dass wir ihn keinen Moment vergessen konnten, aber unser Schlafzimmer war trotzdem ein Zufluchtsort, zu dem die Nacht und ihre Schrecken keinen Zutritt hatten. Eine Spur aus abgelegten

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