Oder sie stirbt
zog er mit einer einzigen fließenden Bewegung seine Glock aus dem Halfter und schoss Sally in die Brust.
[home]
51
A uf Sallys Hemd erschien eine Blutwolke. Sie machte einen Schritt zurück. Ihr ganzes Gewicht krümmte sich über einem einknickenden Bein, dann brach sie zusammen. Valentine und ich sahen erschüttert zu, wie sie bebte und keuchte. Dann hob er zögernd seine Waffe und zielte auf mich.
Wieder kamen Funken aus dem Lauf, und ich spürte den Luftzug neben meinem Kopf, doch ich war bereits mit einem Riesensprung zur Treppe gehechtet, ohne die Dokumente aus der geballten Faust fallen zu lassen. Ich landete irgendwo in der Mitte des obersten Treppenabsatzes und knallte mit der Schulter gegen das Geländer. Allerdings hatte ich so viel Schwung, dass ich mich einmal überschlug und unten auf dem Treppenabsatz landete. Halb taumelte, halb fiel ich die nächsten Stufen hinunter und legte so viel Metall wie möglich zwischen Valentine und mich. Während sich das Stahlgeflecht in meinen Rücken bohrte, hörte ich Valentine von oben.
»Verdammt, Sie sind verletzt. Warum mussten Sie unbedingt hierherkommen, Richards? Sie
mussten
es mal wieder auf die Spitze treiben. Ich hab noch versucht, es Ihnen auszureden, aber prompt sind Sie losgerannt. Sie konnten es einfach nicht lassen. Sie sind verletzt, verdammt, Sie sind verletzt. Aber Sie haben mir keine andere Wahl gelassen. Sie haben mir einfach keine andere Wahl gelassen.«
Feuchtes Gurgeln war die Antwort. Etwas Flüssiges tropfte auf das Metall.
Mir wurde klar, dass das dumpfe Stöhnen, das ich hörte, nicht von Sally, sondern von Valentine kam. Es schwoll an zu einem beinahe weiblich klingenden Schrei, gefolgt von einer heftigen Serie von Schlägen – hämmerte er mit der Faust auf den Stahlboden?
Er schluchzte. »Ich konnte nicht mitmachen. Wenn ich weg bin, wer soll sich dann um meine Jungs kümmern?«
Doch sie antwortete nicht.
»Es tut mir leid«, weinte er. »Es tut mir leid. Bitte, machen Sie die Augen auf, Richards. Machen Sie die Augen auf. Wo ist Ihr Puls? Oh Gott, es tut mir leid.«
Ich legte die Dokumente zusammen und steckte sie in die Tasche. Der Wind nahm etwas zu.
Als ich die nächste Treppe nahm, schien Valentine die Bewegung wahrzunehmen und wieder zur Besinnung zu kommen. Ich hörte sein Funkgerät, dann bellte er: »Polizistin getroffen! Ich bin hier mit einer verwundeten Polizistin am Aussichtsturm beim Missile-Kontrollzentrum am Mulholland Drive. Schicken Sie mir Verstärkung und einen Notarzt. Sofort!« Seine Stimme schwankte, und ich begriff, dass mein eigener Schock nicht ansatzweise an seinen herankam. Einen Moment keuchte er nur und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, dann fuhr er fort: »Der Täter, Patrick Davis, hat mir die Waffe entrissen und sie angeschossen. Ich habe jetzt die Waffe meiner Partnerin und verfolge ihn. Over.«
Durch das laute Rauschen und Knattern hörte man den wachhabenden Polizisten, dann wurde es wieder leiser, und danach hörte man nur noch Valentines und meine Atemzüge im Dunkel.
Er ging langsam über die oberste Plattform, dann trat er auf die Stufen. Zwei Treppenabsätze weiter unten lag ich in einer Art stummem Grauen. Ich verfolgte seine ruhigen, festen Schritte. Beim Gedanken an das Foto auf Sallys Schreibtisch, auf dem sie ihr Baby im Arm hielt, weigerte sich mein Hirn plötzlich, die Realität der Situation anzuerkennen. Es kam mir völlig unmöglich vor, dass ich gerade Zeuge dieser Szene geworden war.
Er wurde jetzt ein wenig schneller, und durch das Stahlgitter sah ich die Umrisse seiner Beine. Das rüttelte mich auf. Wenn ich ihn noch weiter aufholen ließ, war mein ganzer Vorsprung dahin. Dann hatte ich bald nur noch eine geladene Waffe hinter mir und eine Kugel, die pfeilgerade auf meinen Rücken zuflog.
Als ich den untersten Absatz erreichte, hörte ich ihn mit unverändertem Schwung hinter mir. Einen Moment blickte ich ratlos auf den Pfad, auf dem ich ein leichtes Ziel für Valentine abgeben würde.
Es gab nur zwei Alternativen: Fliehen und erschossen werden oder mich umdrehen und zum Gegenangriff übergehen.
Auf schweren Beinen duckte ich mich unter die Treppe. Darunter stieg der Boden steil an. Während ich mich fest auf die Erde drückte, spürte ich erst, wo ich mir bei meinem spektakulären Treppensturz weh getan hatte. Ich keuchte heftig und versuchte verzweifelt, mich zu ruhigen Atemzügen zu zwingen.
Da glitt mein Turnschuh auf der Schräge weg, und beinahe wäre ich
Weitere Kostenlose Bücher