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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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hinter der Gardine wahr, ein verschwommener dunkler Fleck, wie ein Fisch in trübem Wasser.
    Mein ganzer Körper versteifte sich. Doch ich bremste nicht weiter ab, sondern rollte einfach an unserem Haus und auch noch am nächsten vorbei, bevor ich an den Randstein fuhr. Ich überlegte, ob ich zum Münztelefon am Supermarkt fahren und 911 wählen sollte, doch mir war klar, dass der Eindringling wahrscheinlich schon über alle Berge sein würde, wenn die Polizei eintraf. Ich griff nach dem Türöffner, starrte auf mein von Fausthieben gequältes Armaturenbrett und focht einige lange Sekunden einen inneren Kampf mit mir aus. Doch zum Schluss siegte meine Wut – und meine brennende Neugier.
    Ich stieg aus und lief zum Haus, kürzte über die Auffahrt ab, rannte geduckt am Zaun entlang und erreichte die Garage. Dort blieb ich stehen, drückte mir ungefähr zwanzig Sekunden lang die Fäuste gegen den Schädel und war kurz davor, doch die Nerven zu verlieren. Aber dann gewann ich meine Fassung wieder – soweit möglich –, schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete vorsichtig die Tür.
    Wände und Decke der Garage schienen von meinen raschen Atemzügen widerzuhallen. Nervös schaute ich von einer Ecke zur anderen. Mein Blick blieb an der Tasche mit den Golfschlägern hängen, die unter einem Schleier aus Spinnweben lag. Meine damalige Agentin hatte sie mir geschenkt, um den Verkauf meines Drehbuchs zu feiern. Zerstreut ließ ich die Hand über die staubigen Schläger gleiten, von Wedges über Eisen bis zu den Hölzern.
    Die Tür zur Essecke quietschte schon seit einer geraumen Weile. Das wusste ich auch. Seit Monaten hatte ich die Scharniere ölen wollen. Da ich schon mal in der Garage war, konnte ich es doch gleich machen, oder? Ich suchte die blau-gelbe Dose heraus und sprühte das Öl auf die Angeln, bis es herabtropfte. Dann griff ich nach der Klinke, die ich so fest umklammerte, dass meine Knöchel weiß hervortraten, und die Tür ging langsam und geräuschlos nach innen auf. Zu spät fiel mir ein, dass ich damit den Alarm auslösen würde, doch der Eindringling hatte die Anlage bereits deaktiviert.
    Ein Schweißtropfen hing kitzelnd an meinem Kinn. Ich glitt ins Haus und schloss behutsam die Tür hinter mir. Ich trat so leise wie möglich auf, wobei ich den erhobenen Schläger wie ein Samurai-Schwert für Yuppies vor mir hertrug. Zentimeter für Zentimeter schob ich mich an den Schränken vorbei und bekam freie Sicht auf die Küche.
    Gegenüber sah ich, wie die Hintertür langsam geöffnet wurde, aber auf halbem Wege stehen blieb.
    Mit einem Satz war ich an der Tür und sah im hinteren Garten einen großen Mann mit Skimaske und einer schwarzen Windjacke. Reglos stand er dort und blickte aufs Haus.
    Und wartete auf mich.
    Ich erstarrte, mein Herz kam ins Stolpern, und meine Kehle schnürte sich langsam zu.
    Seine behandschuhten Hände hingen seitlich herab, wie bei einem Pantomimen. Es sah aus, als würde er mich nicht mit der dunklen Iris, sondern mit dem Weißen seiner Augen betrachten, das sich vom schwarzen Untergrund abhob wie schwebende Halbmonde.
    Da drehte er sich um und rannte fast lautlos durch den Sumach davon. Ebenso wütend wie verschreckt nahm ich die Verfolgung auf. Mit dem letzten vernünftig arbeitenden Winkel meines Gehirns registrierte ich seine beeindruckende Größe und seine fast militärisch anmutende Effizienz. Und seine schwarzen Stiefel – ich hätte wetten können, dass es Acadia-Stiefel Größe 45 waren. Er sprang von einem umgedrehten Terrakotta-Blumenkübel ab, als wäre es ein Trampolin, und landete auf dem Dach des Gewächshauses. Von dort entkam er über den Zaun. Ich warf ihm noch den Schläger hinterher, aber er prallte gegen das Holz und fiel mir wieder vor die Füße. Dann versuchte ich, mich am Zaun hochzuziehen, wobei ich mit den Schuhen verzweifelt Halt zu finden versuchte. Während ich so auf halber Höhe hing und sich die Kanten der Zaunpfähle in meinen Bauch gruben, warf ich einen Blick zur Straße, aber er war bereits verschwunden. In einen Garten, in ein Haus, um irgendeine Ecke.
    Stöhnend ließ ich mich wieder herunterplumpsen und japste erst mal nach Luft. Hatte ich ihn überrascht, weil ich meinen Zeitplan geändert hatte und nicht ins Kino gegangen war? Selbst wenn, hatte ihm das offensichtlich nicht viel Kopfzerbrechen bereitet. In Anbetracht seines Körperbaus und seiner Geschicklichkeit hätte er mich problemlos auseinandernehmen können. Aber er hatte

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