Oder sie stirbt
weit aufgerissenen Augen und wildem Blick zu mir. Ich drehte das Handy leicht zu ihr, damit sie besser zuhören konnte.
»Gehen Sie nicht mehr zur Polizei. Sprechen Sie nicht mehr mit der Polizei.«
Eine Pause. Ich schob das Handy ein Stück zur Seite, damit der Anrufer meinen schweren Atem nicht hörte.
»Stehen Sie auf, und verlassen Sie das Badezimmer.«
Ich trat hinaus, während Ariana rückwärts vor mir herging und dabei über Bücher und herumliegende Kleidungsstücke stolperte. Die kalte Luft des Schlafzimmers auf meinem Gesicht war der krasse Gegensatz zum heißen Dampf im Badezimmer.
»Gehen Sie in den Flur. Vorsicht mit dem Schienbein, stoßen Sie nicht gegen die Bettkante. Und jetzt rechts, vorbei am Arbeitszimmer.«
Jetzt ging Ariana neben mir. Ich drückte das Plastikhandy gegen meine verschwitzte Wange.
»Kann ich irgendetwas tun, damit Sie aufhören?«, fragte ich, doch die Stimme fuhr ungerührt fort.
»Gehen Sie an Ihrem M-Kinoplakat vorbei. Die Treppe runter. Vorbei an der Schalttafel für die Alarmanlage. Scharf links. Vorsicht, der Tisch. Rechts. Links. Drehen Sie sich um. Noch mal fünfundvierzig Grad weiter, bitte.«
Ich stand nun mit dem Rücken zum Fernseher und blickte auf das Deckenhäuflein auf dem Sofa.
»Ziehen Sie die Couch aus, die Sie bis jetzt nie ausziehen wollten.«
Ich warf die Polster beiseite und hörte mein Herz in den Ohren hämmern. Was war da drin? Worauf hatte ich geschlafen?
Der Plastikgriff glitt mir aus der Hand. Ariana eilte mir zu Hilfe. Mit der anderen Hand drückte ich das Handy ans Ohr. Wir zogen an, und das Sofa entfaltete sich wie ein sich verpuppendes Insekt. Ari klappte den Metallfuß aus, der quietschte und dann dumpf auf dem Boden landete. Das untere Drittel der alten Matratze blieb zurückgeschlagen.
Irgendetwas verbarg sich darin.
Ungeschickt fingerte ich an der Matratze herum, bis sie auseinanderklappte und auf das ausgezogene Sofa klatschte. Die alten Sprungfedern vibrierten heftig. Auf dem Bett lag ein Ordner und ein schwarzer Stab von ungefähr 1 , 20 Meter Länge, mit einem runden Kopf wie bei einem Metalldetektor.
»Dieser Ordner enthält einen Grundriss Ihres Hauses. Die roten Kreise zeigen an, wo wir Überwachungsvorrichtungen angebracht haben. Das Instrument neben dem Ordner ist ein Detektor, mit dem Sie diese Vorrichtungen aufspüren können sowie nach anderen suchen, die wir Ihrer Meinung nach vielleicht nicht auf dem Plan eingetragen haben.«
Ich hätte gar nicht hineinsehen müssen, um zu wissen, dass der Grundriss aus meiner Schreibtischschublade stammte. Darin lagen, wie versprochen, zwei Ausdrucke, einer für jedes Stockwerk – JPEG s von unserer Baufirma, die ich damals gespeichert hatte, nachdem wir vor ein paar Jahren die 50 er-Jahre-Badezimmer renoviert hatten. Durch die Mitte jedes Blattes verlief ein hellerer Streifen, und mir fiel ein, dass meine Toner-Kartusche fast leer war – demnach waren sie wohl erst vor kurzem auf meinem Drucker ausgedruckt worden. Aber die panische Übelkeit, die mich befiel, hatte einen anderen Grund.
Nämlich ein gutes Dutzend roter Kreise auf jedem Blatt.
Ich versuchte, das tatsächliche Ausmaß nachzuvollziehen, indem ich die Blätter nebeneinanderlegte. Da hatte ich die ganze Zeit gedacht, mein Leben hätte sich in
Eine verhängnisvolle Affäre
verwandelt, doch in Wirklichkeit lief ich durch eine Neuauflage von
Staatsfeind Nr.
1
.
Ariana schob sich das Haar aus der Stirn und stöhnte. In der letzten Ausgabe der
Entertainment Weekly
auf dem Wohnzimmertisch entdeckte ich meinen ausgedienten Textmarker. Mit zitternden Händen zog ich ihn heraus.
Ariana trat einen Schritt zurück und musterte nervös die Wände und unsere Möbel. Mit einem Blick auf den Ausdruck trat sie an eine Wand und bohrte den Finger in eine winzige Einbuchtung im Putz, direkt unter dem gerahmten Ansel Adams, den sie seit Studententagen besaß. »Das kann … die können doch …«
Die elektronisch verzerrte Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte ganz vergessen, dass noch jemand in der Leitung war.
»Es ist ein Gmail-Account für Sie eingerichtet worden, patrickdavis
081
075
«
– das war mein Geburtstag –,
»das Passwort ist der Mädchenname Ihrer Mutter. Die erste Mail kommt am Sonntag um vier Uhr nachmittags. Darin wird Ihnen mitgeteilt, was Sie als Nächstes zu erwarten haben.«
Die
erste
Mail? Bei dieser Formulierung steigerte sich meine gerade noch kontrollierbare Panik zu
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