Oder sie stirbt
zottelige ovale Vorleger unter meinem Schuh zerknautschte. Ein Bein hatte ich angezogen, einen Arm stützte ich auf die Toilettenschüssel, und das Handy lag in der Mitte auf dem Boden, so dass ich es im Auge behalten konnte. Ich kauerte zwar nicht verängstigt in einer Ecke, aber für einen außenstehenden Beobachter hätte ich durchaus so wirken können. Das Geräusch des Wassers blendete meine Gedanken aus, der Dampf reinigte meine Lungen.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dort saß. Irgendwann flog die Tür auf, und Ariana kam herein. Ihr Gesicht war gerötet, ihr Haar wild gekräuselt, und sie umklammerte ein Fleischmesser wie eine rasende Sopranistin. Immerhin, nach dem Federballschläger war das schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt fiel das Messer scheppernd ins Waschbecken, sie ließ sich gegen die Wand sinken und presste die Hand auf die Brust – das schien ja eine genetisch programmierte Katastrophenreaktion zu sein.
Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so einen Beschützerinstinkt verspürt zu haben wie in diesem Moment.
Sie sah meine Miene, das Einweghandy, das kleine Diktiergerät auf der Ablage. »Was … der Fernseher … was …?«
Meine Stimme klang trocken und brüchig. »Ich hab einen Eindringling überrascht. Mit Skimaske. Er ist weggerannt. Im Haus ist eine Abhöranlage. Eine versteckte Kamera. Sie haben uns aufgenommen. Jedes Scheißwort, das wir …«
Sie musste so heftig schlucken, dass sich ihre Brust hob und senkte, dann beugte sie sich vor und griff nach dem Handy.
»Es war versteckt«, sagte ich, »im Schrank unterm Fernseher.«
»Hat es geklingelt?«
»Nein.«
Während sie ihre Unterlippe mit den Zähnen bearbeitete, drückte sie ein paar Tasten. »Keine eingegangenen Anrufe. Auch keine gewählten Nummern. Nichts gespeichert.« Frustriert schüttelte sie das Ding. »Wie … wie ist der Einbrecher hier reingekommen?«
»Durch die Hintertür, glaub ich. Er muss sie irgendwie geknackt haben. Oder er hat einen Schlüssel.«
»Und den Alarm hat er auch abgestellt, oder was?« Die Luft war so mit Wasserdampf gesättigt, dass sie in dicken Schwaden zwischen uns waberte. Das Kondenswasser legte sich auf ihr Gesicht wie eine Schweißschicht. »Die Bullen. Die haben gesehen, wo wir die Schlüssel verstecken. Außer uns beiden sind sie die Einzigen, die das wissen.«
»Hab ich auch schon dran gedacht. Aber dann fiel’s mir ein. Das Haus wurde abgehört. Und als du mir den neuen Code mitgeteilt hast, hat jemand …«
Das Handy schrillte los. Ariana fuhr erschrocken zurück und ließ es fallen. Es prallte zwar einmal vom Boden ab, ging aber nicht kaputt. Stattdessen klingelte es erneut und ratterte über die Fliesen. Ich griff danach und drehte das Wasser ab, so dass man das nächste Klingeln noch viel lauter hörte. In der dröhnenden Stille.
Wortlos deutete ich auf das Diktiergerät, und Ariana nahm es von der Ablage und warf es mir zu. Erneut klingelte das Handy.
»Verdammt, Patrick, geh dran, geh doch bitte
dran
jetzt.«
Ich drückte auf Aufnahme, dann hielt ich mir das Handy ans Ohr. »Hallo?«
Eine elektronisch verzerrte Stimme ließ mir die Haare auf den Armen zu Berge stehen.
»So«,
sagte sie,
»sind Sie bereit? Können wir dann anfangen?«
[home]
19
D er nächste Satz war nicht weniger unheimlich.
»Stellen Sie das Diktiergerät ab.«
Ich gehorchte und legte es vorsichtig auf die Klobrille, wobei ich ängstlich die Wände und die Decke musterte. Meine Stimme war heiser und zittrig: »Es ist aus.«
»Wir wissen, dass Sie am Dienstagmorgen bei Bel Air Foods eine Tüte Studentenfutter, eine Banane und einen Eistee gekauft haben. Wir wissen, dass Sie Ihre Frau fast jeden Morgen durchs Küchenfenster beim Weinen beobachten. Wir wissen, dass Sie heute um vier Uhr siebenunddreißig in der Polizeistation Los Angeles West waren, dass Sie im zweiten Stock in Detective Richards’ Büro waren und dreizehneinhalb Minuten mit ihr gesprochen haben.«
Kalt. Fest. Keinerlei Emotion.
»Haben Sie noch Fragen, wie viel wir über Sie oder jeden anderen herausfinden können?«
»Nein.«
»Haben Sie noch Fragen, was unsere Fähigkeit angeht, in Ihr Leben zu treten und zu tun, was wir wollen?«
Der elektronische Filter machte die Stimme flacher, und das völlige Fehlen einer Satzmelodie machte die Sache noch ein Stück unheimlicher.
»Nein«, erwiderte ich. Mein Mund fühlte sich gummiartig verklebt an.
Ariana stützte die Hände auf die Knie, lehnte sich mit
Weitere Kostenlose Bücher