Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
Vom Netzwerk:
Autoschlüssel auf dem Gras neben dem Stein. Der Stöpsel an dem Plastikstein war herausgezogen, der Schlüssel neigte sich zu dem entstandenen Loch. Ich blinzelte, als ich das kleine Plastikteil oben am Schlüssel genauer musterte. Ein Honda.
    Die Stimme meiner Kollegin klang jetzt noch höflicher, wohl um ihre zunehmende Verärgerung zu verbergen: »Das wäre wirklich schön. Wie du weißt, ist unsere Bürozeit eh schon knapp genug bemessen.«
    Allerdings wusste ich das. Aber ich hatte nur ein zehnminütiges Zeitfenster zwischen meinen Nachmittagsveranstaltungen, also reichte die Zeit nicht, um in den Computerraum hinunterzulaufen, und meine Kollegin war sowieso nicht gekommen, um das Büro in der vorgesehenen Zeit zu beanspruchen. Hatte ich jedenfalls gedacht.
    Das nächste Bild zeigte mein Red-Sox-Käppi auf unserem Bett, beeindruckend wie Beweisstück Nr.  1 auf einem Tatortfoto. Im Luftzug der Klimaanlage wurde mein schweißnasser Nacken eiskalt. Auf dem Bild waren unsere Schlafzimmerwände noch nicht aufgerissen, also musste die Aufnahme vor Donnerstagnacht gemacht worden sein. Ich kramte in meiner Tasche nach dem Handy und schaltete es ein. Es dauerte seine Zeit, bis das Sanyo-Logo sich zu Ende gedreht hatte.
    »Sekunde, ich pack nur noch mein Zeug!« Während ich mich durchs Menü klickte, hielt ich das Telefon neben den Monitor, so dass ich das Handydisplay und den Bildschirm gleichzeitig im Auge behalten konnte. Fieberhaft drückte ich auf die Tasten, bis ich schließlich bei der Kamerafunktion war und auf Aufnahme drücken konnte.
    Auf dem Computer lief gerade ein QuickTime-Video an: der Blick durch eine Windschutzscheibe, vom Fahrersitz aus aufgenommen. Die Linse war sorgfältig so eingestellt worden, dass man weder Armaturenbrett noch Motorhaube zu sehen bekam. Das Dröhnen eines Motors. Der Blickwinkel eher niedrig – eine Limousine verließ einen vertrauten Parkplatz: Northridge Fakultät Parkplatz B 2 . Der Film wurde jetzt schnell vorgespult, das Auto fuhr unter Straßenlaternen entlang, bog ab, andere Fahrzeuge glitten vorbei.
    Ich sah vom Bild auf dem Monitor zur Aufnahme auf dem Display meines Handys, um sicherzugehen, dass mein Sanyo auch wirklich mitfilmte.
    Von der Tür kam ein frustriertes Klopfen – diesmal fast schon ein Hämmern. Ich hörte die Schlüssel in ihrer Faust klirren. »Patrick, das wird jetzt langsam ein bisschen unhöflich hier. Hast du im Moment nicht sowieso Unterricht?«
    »Ja. Tut mir leid. Bitte gib mir noch zwei Minuten.«
    Mein Handy piepste zweimal, und die Kamera ging aus. Da der Speicherplatz begrenzt war, wurden immer nur zehn Sekunden lange Sequenzen aufgenommen.
    Als der Fahrer sich zwei Straßen vom Unigelände entfernt hatte, fuhr er in eine Sackgasse zwischen einem chinesischen Restaurant und einem Videoverleih. Direkt vor einem Müllcontainer sah man einen alten Honda Civic stehen. Der Bildschirm wurde schwarz, und als man wieder etwas sah, saß der Fahrer nicht mehr im Wagen – natürlich hatte er den Abschnitt herausgeschnitten, in dem er ausstieg, damit ich keinen Blick auf die Autotür werfen konnte.
    Mit der Kamera in der Hand ging er auf den Honda zu. Da ich die Augen nicht vom Bildschirm nehmen wollte, fummelte ich blind an meinem Handy herum und versuchte, die Tasten für die nächste Zehn-Sekunden-Sequenz nach Gefühl und Erinnerung zu drücken. Ein rascher Blick aufs Display zeigte mir, dass es mir gelungen war, Tetris aufzumachen.
    Gefrustet ließ ich mein Handy auf den Schoß fallen. Das Hämmern an der Tür wurde stärker.
    Der Honda war jetzt aus nächster Nähe zu sehen. Als ich verfolgte, was dann herangezoomt wurde, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
    Das Kofferraumschloss.
    Mir wurde leicht schwindlig, und Lichtpunkte tanzten vor meinen Augen.
    Eine Reihe von Mitteilungen erschien und verblasste wieder. Ich vergaß ganz weiterzuatmen, während ich wie betäubt mitlas:
    18  UHR. NICHT FRÜHER. NICHT SPÄTER.
    KOMMEN SIE ALLEIN.
    SAGEN SIE NIEMANDEM ETWAS.
    BEFOLGEN SIE ALLE ANWEISUNGEN.
    SONST STIRBT SIE.
    Der Bildschirm wurde schwarz, der Browser schloss sich von selbst. Ich sackte auf dem Stuhl zusammen und starrte auf das jämmerliche kleine Büro. Auf dem Flur hörte ich, wie ärgerlich hämmernde Absätze sich langsam entfernten, und dann wurde die Stille nur noch von meinen unregelmäßigen Atemzügen durchbrochen.

[home]
    28
    I ch weiß, dass ihr langsam ungeduldig werdet. Diese Woche mache ich mich an die Korrektur

Weitere Kostenlose Bücher