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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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gerast, um mir Schlüssel und Baseballkäppi zu schnappen, und war zwei Minuten vor sechs vor Ort. Während der ganzen Fahrt hatte ich hin und her überlegt, ob ich nicht doch einen Abstecher zu einem Polizeirevier machen sollte, aber das Bild der Frau auf ihrem Sofa sorgte dafür, dass ich den Fuß auf dem Gaspedal ließ und meine Hände am Lenkrad. Sie war nicht mehr als eine verschwommene Silhouette auf einem Foto, auf das ich nur einen flüchtigen Blick erhascht hatte, aber der Gedanke, sie könnte verschwinden, oder sie müsste Schreckliches oder gar Schmerzen erleiden, weil ich ein Risiko eingegangen war, war mir einfach unerträglich.
    Jetzt stand ich hier vor dem abgeschlossenen Kofferraum und war nicht mehr ganz so überzeugt.
    Ich zog einen Zettel aus der Tasche, faltete ihn auseinander und las meine krakelige Schrift:
    Ich habe eine anonyme Mail bekommen, die mich zu diesem Auto beordert hat, weil sonst angeblich eine Frau sterben muss. Der Schlüssel zu diesem Auto war in einem Plastikstein in meinem Vorgarten versteckt. Ich weiß nicht, was sich in diesem Kofferraum befindet. Ich weiß nicht, wohin das Ganze führen wird. Sollte etwas Schlimmes passieren, setzen Sie sich bitte mit Detective Sally Richards von der Polizeistation L.A. West in Verbindung.
    Wenn ich allerdings bei einer ungesetzlichen Handlung ertappt würde, würde jeder Trottel natürlich sofort glauben, dass ich schuldig war und diesen Zettel nur geschrieben hatte, um mich abzusichern. Aber immer noch besser als nichts.
    Noch zwei Minuten. Es kam mir so vor, als würde mein Rücken am Sitz festkleben. Die Digitaluhr – eines der wenigen Dinge auf dem Armaturenbrett, die ich nicht zertrümmert hatte – starrte mich unerschütterlich an. Die letzte Minute schien sich ewig in die Länge zu ziehen, trotzdem hatte ich das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben. Sie hatten die ganze Verantwortung in meine Hände gelegt. Wenn sie starb, würde es mir so vorkommen, als hätte ich sie selbst umgebracht. Aber war es die Sache wert, für eine Frau, die ich nicht mal kannte, eventuell mein Leben aufs Spiel zu setzen?
    BEFOLGEN SIE ALLE ANWEISUNGEN . SONST STIRBT SIE .
    Die Uhr tickte weiter. 18  Uhr.
    Als ich ausstieg, hörte ich das Echo meines Atems in der Brust. Ich trabte über die Straße und blieb an der Einfahrt in die Sackgasse stehen, um mich zu sammeln.
    Dann stand ich vor dem Civic. Ziemlich sauber, ein paar Schmutzspritzer, leicht abgefahrene Reifen – in jeder Hinsicht alltäglich. Abgesehen von der Tatsache, dass er keine Nummernschilder trug. Als ich ein Ohr auf den Kofferraumdeckel legte, hörte ich nichts.
    In der Straße oder hinter mir war niemand. Nur das Rauschen des Verkehrs, gleichgültige Leute auf ihrem gleichgültigen Weg irgendwohin. Mühsam fummelte ich den Schlüssel ins Schloss. Ich spürte die Vibration im Arm, als der Deckel aufging. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, ließ ich ihn los und trat rasch zurück, während der Deckel nach oben schwang.
    Eine Tasche. Meine Tasche, dieselbe, die ich in den Gully geschubst hatte. Sie war mit irgendetwas vollgestopft, was kantige Ausbuchtungen im Stoff hinterließ.
    Ich beugte mich vor, stützte die Hände auf die Knie und atmete aus. Der Reißverschluss war erst etwas widerspenstig, aber nach nervenaufreibendem Geruckel und Gezerre gab er schließlich nach.
    Entgeistert starrte ich auf den Inhalt der Tasche und roch den Geruch von Geld. Stapel aus Zehndollarscheinen, jede Menge. Und obendrauf lag eine Karte, auf der mit einem wohlbekannten roten Stift ein Weg eingezeichnet war.
     
    So in Scheinen sehen 27 242  Dollar nach mehr aus, als sie sind. Wenn man sie in Stapeln zu jeweils fünfzig Zehndollarnoten sieht, wirken sie wie eine halbe Million. Ich war mit meinem Auto an den Rand eines Supermarktparkplatzes gefahren und hatte das Geld in der Tasche auf meinem Schoß gezählt. Die Bündel wollten schier nicht aufhören. Alle sahen gleich aus, bis auf eines, das aus verschiedenen Scheinen bestand. Wenn das in den Kinofilmen nicht immer gelogen war, dann konnte man Zehndollarnoten nicht zurückverfolgen, oder zumindest wesentlich schwerer als Zwanzig- oder Hundertdollarnoten. Die Schlussfolgerungen, die sich daraus ziehen ließen, waren genauso beunruhigend wie der Rest der Angelegenheit.
    Der Honda war so mysteriös wie die verzerrte Stimme am Telefon. Keine Zulassungspapiere im Handschuhfach, nichts unter den Fußmatten.
    Ich musste ständig auf die Karte starren. Die

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