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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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eurer Drehbücher, versprochen.«
    »Das haben Sie letzte Woche schon gesagt«, rief jemand aus den hinteren Reihen des Vorlesungssaals.
    Ich blätterte in meinem Block herum und starrte auf meine Notizen. Abgesehen von den drei Sätzen, die ich am Morgen hektisch hingekritzelt hatte, war die Seite leer. Vor meinem inneren Auge sah ich immer wieder die geisterhaften Buchstaben, die auf dem schwarzen Bildschirm erschienen und wieder verschwanden: BEFOLGEN SIE ALLE ANWEISUNGEN . SONST STIRBT SIE .
    Kannte ich die Frau auf dem Sofa? Oder war sie nur eine Fremde, der ich helfen sollte wie Doug Beeman? War sie im Kofferraum dieses Hondas eingesperrt? Lebendig? Und wenn ja, warum sollte ich bis sechs Uhr warten, wenn man wollte, dass ich ihr half? Die Angst war wieder da, schwärzer und sicherer als je zuvor, und sie verdrängte jedes bisschen dümmliche Begeisterung, das ich bei meiner Begegnung mit Beeman noch verspürt hatte. Ihr Plot hatte zu guter Letzt die Grenze überschritten, und jetzt ging es um Leben und Tod.
    Die Uhr an der Wand zeigte 16.17  Uhr. In dreizehn Minuten war der Kurs zu Ende – ich hatte also gerade noch genug Zeit, nach Hause zu rasen, mir den Schlüssel und mein Red-Sox-Käppi zu schnappen und zu dieser Sackgasse zu fahren. Obwohl mir Dutzende von Alternativen durch den Kopf schossen, war mir klar, dass keine davon ernsthaft in Frage kam. Von mir hing es ab, ob diese Frau überlebte.
    Eine der Studentinnen räusperte sich. Laut und vernehmlich.
    »Okay«, sagte ich und versuchte, mich zu sammeln. »Dialoge sollten also … Dialoge sollten prägnant und … äh, fesselnd sein …«
    Während ich mir noch dachte, dass ich selbst ja ein prächtiges Beispiel für prägnante und fesselnde Sätze abgab, ließ ich den Blick über den Kurs schweifen und entdeckte ganz hinten Diondre. Von seiner Miene las ich eine Spur von Enttäuschung ab. Ich zwang meine Gedanken zurück zum Thema, doch als ich gerade meine Konzentration wiederfand, hörte ich die Tür auf- und wieder zugehen.
    Sally blieb neben der Tür stehen, mit dem Rücken zur Wand, und unter ihrem Mantel zeichnete sich deutlich ihre Waffe ab. Ich musste zweimal hinsehen, doch sie schenkte mir nur ein liebenswürdiges Lächeln. Prompt hatte ich wieder den Faden verloren, und mein fast leerer Zettel half mir auch wenig. Rasch blickte ich auf die Uhr. Noch anderthalb Stunden bis zur Showtime.
    »Wisst ihr was?«, wandte ich mich an den Kurs. »Warum machen wir heute nicht früher Schluss?«
    Ich sammelte meine Papiere zusammen und ging zur Tür. Als ich mich Sally näherte, betrachtete sie mein lachsfarbenes Hemd. »Hübsches Hemd«, stellte sie fest, »gibt’s so was jetzt auch für Männer?«
    Valentine drückte sich bei der Tür herum. Ich konnte nicht warten, bis der letzte Student rausgeschlurft war, daher nahm ich Sally und ihn im Flur beiseite. »Was ist los?«
    »Können wir irgendwo in Ruhe reden?«, erkundigte sie sich.
    »Ich habe im Moment kein Büro. Vielleicht im Aufenthaltsraum.«
    »Da sind mehrere Dozenten drin«, gab Valentine zurück. In der Brusttasche seines Hemdes summte irgendetwas, und er zog einen Palm Treo hervor und brachte ihn mit einem Knopfdruck zum Schweigen.
    »Sind Sie reingegangen?« Ich sah mich nervös um. Dr. Peterson ging gerade durch einen kreuzenden Korridor, war aber ins Gespräch mit einem Studenten vertieft. »Es sieht im Moment ganz schön blöd aus, wenn ich während meiner Arbeit von der Polizei befragt werde.«
    »Wir befragen Sie gar nicht«, behauptete Sally. »Wir wollten nur mal vorbeischauen, wie’s Ihnen geht. Wir dachten uns, dass Ihnen diese Aufmerksamkeit bestimmt schmeicheln wird.«
    Dr. Peterson verlangsamte weder ihren Schritt, noch hörte sie auf zu reden, aber sie registrierte uns sehr wohl im Vorbeigehen.
    Auf meiner Armbanduhr war es 16.28  Uhr. Ich brauchte den Schlüssel, um herauszufinden, was – oder wer – im Kofferraum dieses Hondas war. Wenn ich nicht bald loskam, würde ich es ganz sicher nicht bis 18  Uhr schaffen.
    Mein Hemd fühlte sich feucht an. Ich unterdrückte den Drang, mir mit dem Ärmel über die Stirn zu wischen. »Okay«, sagte ich. »Vielen Dank. Vielen Dank, dass Sie vorbeigeschaut haben.«
    »Wir haben im Lehrerzimmer keine Szene gemacht«, fuhr Sally fort. »Ich muss allerdings sagen, eine Ihrer Kolleginnen war sehr besorgt.«
    »Julianne.«
    »Genau. Attraktive Frau.«
    Valentine sog die Luft zwischen den Zähnen ein. »Die ist hetero,

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