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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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meines Hemds. »Beim Grillen nicht aufgepasst?« war auch ganz lustig.
    Ich sprühte mich voll mit Deos und Duftwasser, was ich ausführlich wiederholte, nachdem ich das Auto geparkt hatte und dann noch einmal flüchtig im Aufzug nach oben. Aber noch während ich durch den Gang zu meinem Büro ging, war mir klar, dass alles umsonst gewesen war. Der Geruch folgte mir wie die Staubwolke einem Pferdekarren oder eher wie ein Schwarm kreischender Möwen dem Achterdeck eines auslaufenden Schiffes; einige Sekunden vor Betreten meines Büros holte er mich ein und ließ sich wieder auf meine Kleider nieder.
    Zu Hause probierte ich den Trick der stellvertretenden Verdrängung aus. Es ist gar nicht so schlimm, redete ich mir ein. Früher fandst du es doch ganz angenehm, wenn dir der Geruch des Lagerfeuers am nächsten Morgen noch inden Kleidern hing. Oder das Parfüm einer Frau … Spätestens da stockte der Vergleich. Von Parfüm konnte nicht die Rede sein, nicht einmal von Lagerfeuer. Vor langer Zeit habe ich mal an einer vierspurigen Autobahn gewohnt, nachts im Bett ließ ich mein Gehirn eine Vierteldrehung machen, es sollte glauben, die vorbeirasenden Autos seien die anrollenden Wellen der Brandung am Strand direkt unter dem Schlafzimmerfenster. Das Gehirn ließ sich selten länger als ein paar Minuten hinters Licht führen; danach waren die Wellen wieder Autos – und blieben es für den Rest der Nacht.
    Es ist jetzt fast fünf Jahre her, dass ich mit dem Rauchen aufgehört habe, am 12. November 1996, um genau zu sein. Jetzt rauche ich noch hin und wieder eine Zigarette, wenn ich Lust dazu habe; notfalls eine ganze Packung an einem Abend, wenn es sich so ergibt. Ich lehne mich im Liegestuhl zurück und zünde die zweite dieser Nacht an.
    Es ist keine Wolke am Himmel, und obwohl wir hier doch in der Stadt sind, sind mehrere Sterne zu sehen. Ich denke an die Zeit, da Sterne noch Gesprächsstoff waren; die Zeit, da uns Ausdrücke wie unermessliche Entfernungen, Lichtjahre und schwarze Löcher noch genauso selbstverständlich über die Lippen kamen wie tilgungsfreie Hypothek, Financial Leasing und Cruisecontrol heutzutage.
    Der Geruch ist nie ganz verschwunden. In den Jahren, bevor wir das Erdgeschoss dazubekamen, haben wir natürlich alles Mögliche versucht. Wir haben der Mieterin vorgeschlagen, die ganze Wohnung instand setzen und streichen zu lassen – wohl wissend, dass man zwar den Symptomen einer Plage zu Leibe rücken, diese aber erst dann wirkungsvoll bekämpfen kann, wenn man zuerst die Brutstätte ausrottet.
    Vor ein paar Tagen bin ich auf die Harke gestoßen; die Harke, mit der sie die Hundescheiße verschwinden ließ. Ineinem Teil des Gartens, in den ich sonst nie komme, ganz am Ende neben der gepflasterten Terrasse. Ich sah sie zwischen dem Farn liegen. Es war merkwürdig, sie in den Händen zu halten. Als wäre ich für einen kurzen Moment der Archäologe meiner eigenen jüngsten Vergangenheit.
    Rückblickend lässt sich sagen, dass diese schon an dem Tag begann, an dem mir Max’ Kater auf den Schoß sprang, inzwischen vor mehr als dreißig Jahren, oder auf alle Fälle bei unserer Wiederbegegnung an meinem siebenundvierzigsten Geburtstag.
    Aber wenn ich es mir genau überlege, fängt sie eigentlich in der Pause von Deep Impact an.

5
    Es ist jetzt etwas länger als ein Jahr her. Wir standen in der Pause von Deep Impact mit unseren Gläsern im Foyer, als ich hinter mir eine Stimme hörte. Auch ohne mich umzudrehen, wusste ich auf Anhieb, dass dies dieselbe Stimme war, die mir vor dreißig Jahren versichert hatte, der schwarze Kater, der gerade auf meinen Schoß gesprungen war, würde mir nichts tun, solange ich nur ruhig sitzen bliebe.
    Meine Frau nippte an ihrem Weißwein und schaute vor sich hin. Ich brauchte sie nicht zu fragen, wie ihr Deep Impact bis jetzt gefallen hatte. Schon meine Bemerkung, in dem Film stecke doch auch Humor, hatte sie in den falschen Hals bekommen. Solange ich den Mund hielt, gab es zumindest noch eine reelle Chance, dass sie auch die zweite (und wichtigere) Hälfte des Films über sich ergehen lassen würde.
    Ich schätze solche Dinge des Öfteren falsch ein. Schon mehrmals habe ich Leute zu etwas eingeladen (oder ihnen etwas vorgespielt oder zu lesen gegeben) in der Annahme, sie würden dabei das Gleiche empfinden wie ich. Oder vielleicht ist es noch anders: Mehr als um das gleiche Empfinden geht es mir vor allem darum, dem anderen auf dem Umweg über einen Film, ein Musikstück

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