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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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hängen sehen und mitgehen lassen. Max hatte es vorhin mit einem nachdenklichen Blick gemustert, ich würde ihm gleich sagen, warum es ihm bekannt vorkam.
    Als ich die Toilette verließ, fügten sich auf einmal die Sätze, die ich heute Morgen von Sylvia und gerade vorhin von Max gehört hatte, zusammen.
    Als Max heute Morgen aus dem Haus ging, sah es noch wie eine ganz normale Grippe aus.
    Andererseits bin ich seitdem nicht mehr zu Hause gewesen, für sie bin ich wer weiß wo, in Timbuktu oder in Odessa.
    Und ich hatte Sylvia gesagt, dass ich mich heute Abend mit Max im Mare Nostrum treffen würde.
    Mit einem etwas unguten Gefühl ging ich zurück ins Restaurant. Es ist alles Unsinn, redete ich mir selber ein. Die Fanta sie geht mit mir durch. Ich muss es natürlich Max sagen, aber ich bin vor allem neugierig, was er von mir will.
    Ich war noch nicht wieder bei unserem Tisch, als ich den Besitzer mit zwei seiner Kellner in der Tür stehen sah. Er hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
    »Mamma mia!«, rief er. »Mamma mia!«
     
    »Komm schon, Papa, jetzt kannst du es mir doch sagen. Hast du gewonnen oder nicht?«
    Wir fahren über die Panamalaan und die Piet Heinkade Richtung Hauptbahnhof.
    »Spielt es eine Rolle?«, frage ich David. »Ich meine, spielt es eine Rolle, ob ich zehn Millionen wert bin oder nichts?«
    Mein Sohn hat das Handschuhfach geöffnet und die Packung Marlboro herausgenommen, die ich vier Tage zuvor aus dem Zigarettenautomaten im Mare Nostrum gezogen hatte; er steckt sich eine zwischen die Lippen und drückt den Anzünder runter. »Wir fahren in einem Auto, das hunderttausend Gulden kostet, zum Begräbnis deines Freundes«, sagt er. In seiner Stimme klingt kein Vorwurf mit. »Und du fragst mich, ob es eine Rolle spielt?«
    Ein paar Tage nach dem Vorfall vor dem Mare Nostrum rief Sylvia an; sie bat mich, etwas bei der Beerdigung zu sagen. Ich sagte ihr, das sei keine gute Idee.
    »Max hat immer sehr nett von dir gesprochen, sonst würde ich dich nicht darum bitten.«
    »Es scheint mir keine gute Idee, Sylvia.«
    Nach einer kleinen Pause wechselte sie das Thema. »Gefällt euch die neue Parterrewohnung?«, fragte sie. »Und dein Sohn? Ich hörte, dass er dieses Jahr doch versetzt wird.« Dann nannte sie den Namen und die Adresse der Schule. Ich brauchte noch ein paar Sekunden, bis mir klar wurde, dass Sylvia das Thema gar nicht gewechselt hatte.
    »Ich denke noch mal drüber nach«, sagte ich.
     
    Und das habe ich in den vergangenen Tage getan. Erst nachdem David mich an die Sendung von Wer wird Millionär? erinnert hatte, habe ich beschlossen, dass die anfängliche Idee doch die beste war.
    Gleich sind wir beim Friedhof; ich weiß nicht, ob Kameras bei den Reden in der Aula anwesend sind, aber auf jeden Fall auf dem Parkplatz. Ich könnte winken. Ein Mann, der mit seinem fünfzehnjährigen Sohn aus einem schwarzen Jeep Cherokee steigt: vielleicht eine nette Aufnahme für die Nachrichten des Amsterdamer Lokalsenders. Und dann die Rede, die vielleicht nicht im Fernsehen zu sehen ist, aber die möglicherweise in den morgigen Zeitungen erwähnt wird. Ein ehemaliger Klassenkamerad erinnert sich an das gefährliche Haustier von Max G. – das alles in Verbindung mit der Ausstrahlung von Wer wird Millionär? , in der die Schule der beiden ehemaligen Klassenkameraden zur Sprache kommt, wie auch der Kater, der Name der Schule und der ihres umgebrachten ehemaligen Lehrers …
    In dem Moment musste ich an Frau de Bildes Hund denken, der heute früh, als David und ich im Garten saßen, nach draußen gezockelt kam und sich auf die Terrasse legte. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich ihn oft dort habe liegen sehen, zuerst dachte ich noch, es ist der kühlste Ort im ganzen Garten, aber später lag er dort auch, wenn es kalt und windig war.
    »Gewonnen oder verloren?«, fragt mein Sohn und legt mir die Hand aufs Knie.
    »Gewonnen«, antworte ich.

Das Buch

Das Buch
    Fred Moorman ist Ende vierzig und träumt von einem schwarzen Jeep Cherokee und einem neuen Freundeskreis. Sein Leben ist zum Stillstand gekommen und ödet ihn an. Die Zeiten, als er sich noch Gedanken machte über den Sternenhimmel, über Lichtjahre und schwarze Löcher, sind definitiv vorbei. Heute redet er nur noch über tilgungsfreie Darlehen und Cruise Control. Auch für seinen inzwischen vierzehnjährigen Sohn ist er längst kein Held mehr, und seine Frau denkt laut darüber nach, wie ihr Leben aussehen würde, wenn

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