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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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unverschämte nüchterne Alkoholiker saß. Der heldenhafte Lennart Torstensson lehnte sich zurück und bereitete sich auf eine lange Wartezeit vor.
    Es dauerte jedoch nicht lange, bis sonderbare Dinge zu passieren begannen. Zuerst bemerkten drei junge Männer, die ruhig den Kanal entlangspazierten, das leere Loch zwischen den Booten, wechselten ein paar hitzige Worte miteinander und liefen, so schnell sie konnten, den Weg zurück, den sie gerade gekommen waren, nur um einen Augenblick später mit einer Menge erregter Menschen im Gefolge wieder aufzutauchen. Darauf traf eine Gruppe kahlköpfiger Männer und Frauen ein, die in mönchähnliche Kutten gekleidet waren und etwas rauchten, das unverkennbar nach gutem altem Cannabis roch, während sie einen hypnotisierenden Psalm sangen, von dem der heldenhafte Lennart Torstensson nicht ein Wort verstand, nur um dann in entsetzliche Schreie auszubrechen, sobald sie das gähnende Loch sahen, wo eigentlich das grün-orangene Fischerboot hätte liegen sollen. Schließlich kamen die beiden Polizisten, die gerade gefahren waren, wieder zurück und sahen alle und jeden misstrauisch an und stellten eine Frage hier und eine Frage da und bekamen bald Unterstützung von weiteren vier Wagen.
    Die Aussicht, die der heldenhafte Lennart Torstensson von der Bank aus hatte, wurde allmählich völlig von verwirrten und erregten Menschen versperrt, die wie Ameisen herumliefen, deren
Haufen gerade zertreten worden war, und als die Gefahr, erdrückt zu werden, mehr als akut geworden war, gab der heldenhafte Lennart Torstensson seinen Platz auf und erhob sich. Auf dem Kai herrschte ein großes Durcheinander. Verzweifelte Menschen schubsten und drängten in alle Richtungen und die, die dem Wasser am nächsten standen, waren in ständiger Gefahr hineinzufallen, bis einige tatsächlich hineinfielen und der Rest genug Gegendruck erzeugt bekam, um sich einen zwanzig Zentimeter breiten Freiraum zu schaffen. Genau in diesem Moment sah der heldenhafte Lennart Torstensson einen jungen Mann mit Brille auf das weiße Motorboot klettern und weiter die Leiter hinauf bis auf das Sonnendeck.
    Der bebrillte Mann hob eine Hand, und zur großen Überraschung des heldenhaften Lennart Torstensson hörte der Lärm sofort auf – abgesehen von dem erschrockenen Gesang der in Kutten gekleideten Männer und Frauen.
    »Ich, Simon Peter II, an Leib und Seele ein demütiger Fischer, muss euch sagen, dass etwas Furchtbares geschehen ist«, rief der bebrillte Mann. »Eine Katastrophe, ein Unglück hat uns getroffen. « Er hob die Stimme zu einem Furcht einflößenden Schrei. »Der Teufel hat zugeschlagen!« Die Zuhörer erbleichten. »Der Große Mann ist verschwunden!« Der bebrillte Mann zeigte anklagend auf den leeren Ankerplatz, während er leidenschaftlich blinzelte, als hätte er Schwierigkeiten, die Tränen zurückzuhalten. Dann leuchteten seine Augen plötzlich auf, und er sah sein Publikum festen Blickes an. »Der Große Mann ist entführt worden«, sagte er rau und hob dann die Stimme und rief aus vollem Hals: »Der Große Mann, der Sohn des Herrn, unser Erlöser und Erretter, ist entführt worden!«
    »Der Große Mann ist entführt worden!«, hallte es von den Zuhörern wider.
    »Der Große Mann ist von den Ungläubigen entführt worden. Er ist von den Nordnordländern entführt worden!« Der bebrillte Mann blinzelte leidenschaftlich, und sein Arm bewegte sich auf und nieder.
    »Entführt von den Nordnordländern!«, brüllte die Menge. »Entführt von den Nordnordländern!«

    Der heldenhafte Lennart Torstensson fühlte sich bei der Wende, die die Ereignisse genommen hatten, nicht ganz wohl. Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen und sah sich um. Er konnte den unverschämten nüchternen Alkoholiker nirgendwo mehr sehen, der seine nordnordländische Zugehörigkeit hätte enthüllen können, und beruhigte sich wieder. Doch als der Lieblingsjünger und erste Apostel die Strafen und Peinigungen auszumalen begann, denen die Wiederauferstandenen Christen die Nordnordländer auszusetzen gedachten, bis sie den Großen Mann freiließen, war es an der Zeit, dass der heldenhafte Lennart Torstensson das Weite suchte.
    Der heldenhafte, wenn auch etwas erschütterte Lennart Torstensson begann sich durch die Menge zu drängen, während er die Zähne zusammenbiss, um sich ja nicht in einem unbedachten Augenblick auf Nordnordisch bei jemandem zu entschuldigen, dem er einen Ellenbogen in die Seite gerammt hatte oder auf

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