Odins Insel
südnordische und nordnordische Presse gehen. Das Internet ist die größte Erfindung seit der Dampflok, lachte der beinahe legendäre Lennart Torstensson. Die südnordische Regierung und die südnordische Königin sowie die gesamte südnordische und nordnordische Presse würden in wenigen Minuten einen Brief bekommen, der sich weder durch Handschrift noch durch Schrifttype, Papier oder Umschlag identifizieren ließ. Er brauchte auch keine Briefmarken, die über den Poststempel Aufschluss über den Absender gaben, und da er die Briefe auf einem kleinen Umweg verschickte, der die elektronische Absenderadresse auslöschte, würde niemand erfahren, woher sie kamen. Das war genial, und der beinahe legendäre Lennart Torstensson war eine Legende!
Die südnordische Regierung hat den Unterzeichnenden gebeten, baldmöglichst nach Südnorden zurückzukehren. Der Unterzeichnende wird der Bitte der südnordischen Regierung mit großer Freude nachkommen, sobald die südnordische Regierung für
immer und in alle Ewigkeit auf jedes territoriale Recht auf die von der südnordischen Regierung Drude-Estrid-Insel und von der nordnordischen Regierung Hermod-Skjalm-Insel genannte Insel verzichtet.
Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit der südnordischen Regierung meine höchste Achtung und meinen Respekt auszusprechen.
Ihr ergebener
Odin Odin
»Wer um alles in der Welt hat sich so einen Unsinn ausgedacht?« Sigbrit Holland ließ die Zeitung sinken.
»Das ist nicht leicht zu beantworten«, sagte der Fischer Ambrosius vom Steuerruder her und kaute nachdenklich auf dem Mundstück seiner Pfeife.
Vor vier Tagen hatten sie Kristiansfjord verlassen. Das Meer war unruhig, aber die feuchte Kälte war hier weniger rau als höher oben im Norden. In dem Wirtshaus in dem kleinen Fischerdorf, wo sie sich mit Proviant eingedeckt hatten, hatte Sigbrit Holland eine überregionale altnordische Tageszeitung gefunden, die erst einen Tag alt war. Sie las den Artikel noch einmal, schüttelte den Kopf und legte die Zeitung weg. Sie nickte Harald Adelstensfostre zu, der sofort mit der Entzifferung der Frachtbücher begann.
»4. Mai 1614. Eine Ladung Holz nach Fredenshvile… « , las er langsam.
»Im Grunde genommen kann es uns ganz recht sein, wenn man glaubt, der kleine Schrieb hier sei von Odin verfasst worden«, unterbrach der Fischer und nickte in Odins Richtung.
Sigbrit Hollands Hand hielt mitten in einem Wort inne.
»Wie meinst du das?«
»Dass es wohl nicht so schlecht ist, wenn unsere Regierung ihren Anspruch auf die Insel aufgibt«, sagte der Fischer mit einem unergründlichen Lachen.
»Ist es dir etwa lieber, wenn die Insel nordnordisch wird?«
»Ganz und gar nicht.« Der Fischer Ambrosius nahm die Pfeife aus dem Mund und lachte laut. »Aber es wäre vielleicht nicht
schlecht, wenn die Insel unabhängig wäre.«
»Unabhängig! Warum sollten wir uns das wünschen?«
»Unabhängigkeit kann nur gewinnen, was abhängig ist«, bemerkte Odin und drehte sich den Bart um die Finger.
»Genau!«, rief Sigbrit Holland. »Wir müssen einen Weg zurück zu der Insel finden, das ist alles. Was bedeutet es schon für uns, ob die Insel abhängig ist oder nicht?«
»Nicht wenig, holde Frau«, antwortete der Fischer rätselhaft. »Nicht wenig.«
Sigbrit Holland dachte nach.
»Glaubst du ernsthaft, dass die Leute aufhören werden, sich um die Insel zu schlagen, wenn sie für unabhängig erklärt wird?«
»Die Weltuntergangspropheten vielleicht nicht. Aber wahrscheinlich die anderen. Und irgendwo müssen wir ja anfangen.« Der Fischer rieb sich das Kinn und sah auf das Meer vor dem Steven der Rikke-Marie. »Außerdem wäre da noch das kleine Detail, dass die Unabhängigkeit es Veterinär Adelstensfostre erlauben wird, als Veterinär Adelstensfostre zu arbeiten.«
Sigbrit Holland lächelte; das stimmte. Ohne die entsprechenden Papiere würde der Eremit weder nach südnordischem noch nach nordnordischem Gesetz als Arzt praktizieren dürfen – ganz zu schweigen von einer Tätigkeit als Tierarzt.
»Aber selbst wenn der falsche Brief die südnordische Regierung dazu bringen sollte, ihren Anspruch auf die Insel aufzugeben, wie willst du Nordnorden dazu bewegen, das Gleiche zu tun?«
Der Fischer Ambrosius drehte den Kopf und sah Sigbrit Holland direkt in die Augen.
»Wir nicht, holde Frau. Du. «
»Ich?« Sigbrit Holland lachte. Dann begriff sie, welche Absicht der Fischer hatte, und schüttelte den Kopf. »Nein, vergiss es«, sagte sie.
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